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EU-Gipfel

Bernd Riegert12. Dezember 2007

In Lissabon unterzeichnen die Staats- und Regierungschefs den EU-Reformvertrag. Er ist nicht ganz so ambitioniert wie die EU-Verfassung, stellt aber dennoch die nötigen Weichen für die Zukunft der Union.

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Statue und EU-Flagge, Quelle: AP
Griff nach den Sternen? Der Reformvertrag soll die EU fit für die Zukunft machenBild: AP

Die Staats- und Regierungschefs der 27 EU-Staaten unterzeichnen am Donnerstag (13.12.2007) in Lissabon den EU-Reformvertrag, der von 2009 an die neue Grundlage für die Arbeit der Union darstellen soll. Er tritt an die Stelle der angestrebten Verfassung, die in Volksabstimmungen in Frankreich und den Niederlanden 2005 abgelehnt worden war. Die portugiesische Ratspräsidentschaft der EU hatte im Oktober einen Kompromiss ausgehandelt und besteht deshalb darauf, dass das Vertragswerk in Lissabon feierlich unterschrieben wird. Mit dem "Vertrag von Lissabon“ möchte der portugiesische Ministerpräsident offenbar in die EU-Geschichte eingehen. Doch was steht drin in dem Vertrag?

"Wir haben die Weichen für eine erneuerte gemeinsame Grundlage der Europäischen Union gestellt. Wir haben den Stillstand überwunden", sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel als EU-Ratspräsidentin wenige Tage nach dem entscheidenden Gipfeldrama im Juni. Am Ende habe die EU das Vertrauen nicht enttäuscht.

Ohne neuen Vertrag keine Beitritte

EU-Kommissionspräsident Barroso gratuliert Merkel zum Gipfel-Erfolg, Quelle: AP
Im Juni: Kommissionspräsident Barroso gratuliert Merkel zum Gipfel-ErfolgBild: AP

Nur mit großer Mühe gelang es den 27 Staats- und Regierungschefs, sich auf die Ausarbeitung von zwei neuen Verträgen zu einigen. Einer soll die Grundlagen bestimmen. Der andere legt die Arbeitsweise der Union fest. Wichtig ist die Einigung vor allem für die Staaten, die noch nicht Mitglied im Klub sind. Ohne neuen Vertrag haben weder die Balkanstaaten noch die Türkei Chancen auf einen Beitritt, wie Jo Leinen, der Vorsitzende des Verfassungsausschusses, schon 2006 erläuterte: "Mit dem Europaparlament wird es keine Erweiterung geben, wenn wir den Verfassungsvertrag nicht bekommen. Rumänien und Bulgarien, werden für uns die letzten sein, die mit dem Nizza-Vertrag reinkommen."

Das Verfassungsprojekt wurde zwar beerdigt, der Reformvertrag steht dennoch. Die Unterschiede in der Substanz sind nicht sehr groß, nur der Name hat sich geändert. Alles, was an Staatlichkeit erinnerte, ist aus dem Text entfernt worden: Fahne, Hymne, der Titel Außenminister und einiges mehr.

EU-Parlament kann öfter mitentscheiden

Abstimmungsverfahren und Institutionen sind aus dem Verfassungsentwurf teils mit neuen Etiketten übernommen worden, sagt Elmar Brok, der das Europäische Parlament bei den Vertragsberatungen vertritt: "Durch bessere Entscheidungskriterien im Rat und mehr Mehrheitsentscheidungen sowie die Ausdehnung der Rechte des Parlaments, das künftig in 95 Prozent der Fälle mitentscheiden kann, ist die Frage der Effizienz und die Demokratisierung in vollem Umfang gewährleistet."

EU-Flaggen in Lissabon, Quelle: AP
EU-Flaggen in Lissabon: Die Stad soll Namensgeber für die neuen Verträge seinBild: AP

Die EU erhält einen Präsidenten mit zweieinhalb Jahren Amtszeit. Es wird einen Außenminister geben, der nicht so heißen wird, aber dessen Aufgaben erfüllt. Die EU-Kommission wird von 2014 an verkleinert. Die Anzahl der Sitze des EU-Parlaments wird auf 751 festgelegt. Mehrheitsentscheidungen sollen zudem das Prinzip der Einstimmigkeit in mehr Politikbereichen ablösen.

Die doppelte Mehrheit aus Staaten und Bevölkerung löst das komplizierte Abstimmungssystem des Vertrages von Nizza ab. Bis 2016 soll es aber möglich sein, die Entscheidungen zu überprüfen, wenn eine kleine Minderheit von Staaten dies wünscht. Diese so genannte Ioaninna-Klausel hatte Polen durchgesetzt.

Unlesbar und kompliziert

Einfacher zu lesen ist das Vertragswerk nicht, da es eine unübersichtliche Menge an Fußnoten und Ausnahmeregelungen enthält. "Wir müssen eine lesbare Fassung für die Öffentlichkeit schaffen, damit das Verständnis vorhanden ist, welche Kompetenzen es gibt und welche Institution was zu sagen hat", fordert Brok.

Europa-Parlamentarier Elmar Brok (CDU
Fordert lesbare Verträge: Europa-Parlamentarier Elmar Brok (CDU)Bild: Presse

Großbritannien und Polen setzten durch, dass der Grundrechtekatalog nicht Teil des Vertrages ist. Er wurde feierlich vom Europäischen Parlament am Mittwoch proklamiert. Großbritannien hat außerdem Ausnahmeregelungen in den Bereichen Justiz und Inneres erhalten. Trotzdem ist nicht sicher, dass der Vertrag dort bis Ende 2008 ratifiziert werden kann. Premier Brown wehrt sich gegen eine Volksabstimmung, weil er ahnt, dass die europa-skeptischen Briten das Vertragswerk zu Fall bringen könnten.

Der Vertrag muss in allen 27 Staaten ratifiziert werden. In den meisten sollte das ohne größere Probleme in den Parlamenten geschehen. Frankreich will auf eine Volksabstimmung verzichten. In den Niederlanden und Dänemark ist man noch unentschieden. Nur in Irland ist eine Abstimmung rechtlich zwingend. Wenn alles gut geht, soll der Vertrag von Lissabon rechtzeitig vor den nächsten Wahlen zum Europäischen Parlament im Juni 2009 in Kraft treten.