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Ein Land - zwei Systeme

Eva Mehl19. März 2004

Pünktlich zu den Präsidentenwahlen in Taiwan wird der Welt einer der kompliziertesten Konflikte in Erinnerung gerufen: das Verhältnis zwischen der VR China und der Republik China, so der offizielle Titel Taiwans.

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Taiwans Bürger demonstrieren für eine Unabhängigkeit von ChinaBild: AP

Nach dem Sieg von Mao Zedong und den Kommunisten floh die nationalistische Kuomindang-Regierung mit rund zwei Millionen Anhängern 1949 nach Taiwan. Dort rief Chiang Kai-shek 1950 die "Republik China" aus. Mit Unterstützung der USA errichtete er eine repressiv-antikommunistische Republik. Diese reklamierte das Alleinvertretungsrecht für ganz China. Zunächst wurde die "Republik China" als rechtmäßige Vertretung für ganz China anerkannt und in die Vereinten Nationen aufgenommen. 1971 mußte Taiwan seinen Platz in der UN an die Volksrepublik abtreten. In den kommenden fünf Jahrzehnten erlebte das Land einen kontinuierlichen wirtschaftlichen Aufschwung.

Auf eine politische Liberalisierung mussten die Taiwaner jedoch bis 1987 warten: Chiang Kai-sheks Sohn hob das Militärrecht auf und ließ erstmals eine politische Opposition zu. Die Beziehungen zum Festland begannen sich zu entspannen, der Handel wurde legalisiert. Freie Wahlen fanden erstmals 1996 statt: Lee Denghui wurde als erster Präsident der Insel direkt von der Bevölkerung gewählt.

Diplomatische Isolation

Die Führung in Peking beharrt auf ihrer "Ein-China-Politik". Für sie ist die Wiedervereinigung mit der "abtrünnigen Provinz" nur eine Frage der Zeit. Regelmäßig bekräftigt Peking, Taiwan im Falle einer offiziellen Unabhängigkeitserklärung notfalls mit militärischer Gewalt wiedereinzugliedern. Die "Republik China" dagegen kämpft um die Anerkennung als selbstständiger Staat. Die meisten Mitglieder der internationalen Staatengemeinschaft halten sich jedoch an das "Ein-China-Prinzip". Sie erkennen die Insel nicht offiziell an, unterhalten jedoch gleichzeitig rege inoffizielle, quasi-diplomatische Kontakte mit Taiwan.

Das Ende einer Ära

Im Jahr 2000 endete die Vorherrschaft der Kuomintang-Regierung, nach 50 Jahren. Taiwans Bürger wählten den Oppositionsführer Chen Shui-bian von der Fortschrittspartei zum Präsidenten. Im Gegensatz zur KMT, die traditionell an einer Wiedervereinigung mit der Volksrepublik festhielt, betonte Chen die Souveränität Taiwans als eigener Staat (Zwei-Staaten-Theorie). Er strebt die Unabhängigkeit von China an. In seiner Regierungserklärung rief er jedoch zu Versöhnung und Dialog mit der Volksrepublik China auf. Zudem bekannte er sich zu den "fünf Nein": Solange Taiwan nicht akut militärisch von China bedroht wird, wird Taiwan keine Unabhängigkeit erklären, nicht den Namen des Landes ändern, die sogenannte "Zwei-Staaten-Theorie" nicht in die Verfassung aufnehmen und kein Referendum zur Unabhängigkeit sowie keines zur Vereinigung anstreben.

Wie weit man gehen kann

Neues Passdesign in Taiwan
Vorschlag für eine neues Passdesign in TaiwanBild: AP

Der Volksrepublik ist Chen Shui-bian jedoch ein Dorn im Auge. Die Führung in Peking betrachtet ihn als "unverbesserlichen Separatisten". Gerne testet er die Grenzen, die einem taiwanischen Staatsoberhaupt im heiklen Verhältnis zum Festland gesetzt sind. So auch mit dem Vorhaben, auf dem Umschlagdeckel neuer Reisepässe für die Bürger der Insel das Wort "Taiwan" erscheinen zu lassen. Für Peking liefert das Referendum am Tag der Wahl einen weiteren Beweis: für Schritte weg vom Status quo hin zur Unabhängigkeit.