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Ein Klimakonto für jeden

2. September 2009

Experten des Wissenschaftsbeirats schlagen eine Weltklimabank vor. Im Interview mit der Deutschen Welle spricht Dirk Messner, der stellvertretende Vorsitzende des Rats, über das neue Konzept.

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Satellitenfoto der Erde
Kann eine Klimazentralbank das Weltklima retten?Bild: AP

Deutsche Welle: In ihrem Konzept geht es darum, dass jeder Mensch eine Art Klimakonto bekommt, eine Art CO2-Konto, anhand dessen für jedes Land ausgerechnet wird, wie viel CO2 die einzelnen Länder bis 2050 in die Luft pusten dürfen. Könnte das den Durchbruch für die Klimaverhandlungen bedeuten? Schließlich ist das einer der großen Streitpunkte: Wer darf bis wann wie viel CO2 ausstoßen?

Dirk Messner: Ich glaube, dass unser Ansatz dazu beitragen kann, die Klimaverhandlungen schnell voranzubringen und zu einem Ergebnis zu kommen. Bisher haben wir eine Art Blockade der Verhandlungen, um die Reduktionsvereinbarungen zwischen 30 bis 40 Ländern. Wir kommen zu dem Ergebnis, dass in Zukunft eigentlich an die 100 Länder Reduktionsverpflichtungen übernehmen müssen. Wenn wir mit allen 100 Ländern einzeln verhandeln müssten, würden wir das in der Zeit, die uns noch bleibt, um den Klimawandel abzubremsen, gar nicht schaffen. Deswegen ist unser Vorschlag eigentlich ziemlich einfach: Wir brauchen eine Formel, mit der wir die Reduktionsverpflichtungen für alle Staaten festlegen. Und diese Formel bedeutet, dass wir wissen, wie groß das globale Treibhausgasbudget sein darf, damit wir die Zwei-Grad-Grenze, die wir international bei der Erderwärmung ansteuern, einhalten können. Dieses Budget verteilen wir auf alle Länder, und zwar auf der Grundlage von Pro-Kopf-Emissionen, die jedem Menschen auf der Erde zustehen.

Wie viel CO2 darf danach dann jeder Mensch bis 2050 in die Atmosphäre pusten?

Bis 2050 darf jeder Mensch, weltweit, nur noch zwischen 1 und 1,5 Tonnen Treibhausgas in die Luft emittieren. Das ist das Niveau auf dem sich heute Indien befindet. In Deutschland beispielsweise emittieren wir im Augenblick 10 Tonnen pro Kopf, in den USA sogar 20 Tonnen pro Kopf. Dann kriegen Sie ein Gespür dafür, mit was für einer Geschwindigkeit und Dynamik wir unsere Treibhausgasemissionen reduzieren müssen. Das ist eine industrielle Revolution, die wir hier anstoßen müssen.

Gehen Sie davon aus, dass die Bundesregierung die Position ihres Berichts in den Verhandlungen übernehmen wird?

Ich hoffe, dass die Bundesregierung die Kernidee zunächst einmal übernimmt. Die Grenze von zwei Grad ist ein Ziel, das die Bundesregierung vertritt - ebenso wie die EU insgesamt. Damit hätten wir für die gesamte Weltwirtschaft eine Deckelung der Treibhausgasemissionen, die auch nötig ist, damit wir überhaupt das Zwei-Grad-Ziel einhalten können. Wenn das angestoßen wurde, dann wäre der nächste Schritt, das angesprochene Budget fair auf alle Länder aufzuteilen. Das wäre eigentlich nur noch ein kleiner Schritt. Über diesen Mechanismus hätten wir Reduktionsverpflichtungen, die sich ausrechnen ließen für alle beteiligten Staaten. Das wäre fair und transparent, und wir wüssten alle, wo wir stehen im Prozess der Bearbeitung des Klimaproblems und könnten dann nach den Lösungen Ausschau halten.

Und die Verwaltung des Budgets und die Verteilung soll von einer Klimabank übernommen werden?

Ja, wir schlagen vor, dass wir eine Organisation brauchen, die die Nutzung der Treibhausgasbudgets, die dann jedem Land zustehen, überwacht und Regeln festlegt für den Kauf und den Verkauf von Emissionen. Denn, unsere Berechnungen ergeben, dass die Industrieländer eine Transformation in Richtung einer klimaverträglichen Weltwirtschaft im Alleingang nicht mehr schaffen können. Wir werden Zertifikate kaufen müssen bei den Ländern, die in der Vergangenheit wenig emittiert haben. Dafür brauchen wir natürlich Regeln. Und dafür soll eine Klimazentralbank zur Verfügung stehen. Außerdem schlagen wir vor, dass jedes Land der Welt einen Transformationsfahrplan entwickelt. Zunächst bis zum Jahr 2030, dann bis 2050. Darin soll stehen, wie die jeweiligen Budgets, die uns allen zur Verfügung stehen, und mit denen wir das Klimaproblem lösen könnten, aussehen sollen. Auch das muss durch die Klimazentralbank überprüft und begleitet werden.

Braucht es darüber hinaus nicht auch ein System von Belohnung und Sanktionierung? Ansonsten besteht doch kein unmittelbarer Anreiz. Die meisten Regierungen denken nicht in Zeiträumen von 20, 30 oder 40 Jahren, sondern nur bis zum Ende der nächsten Wahlperiode.

Zunächst einmal brauchen wir Regeln für den Emissionshandel. Wir müssen zum Beispiel verhindern, dass unverantwortliche Regierungen, alle ihre Zertifikate verkaufen, und dann keine Budgets mehr hätten zur Alimentierung der wirtschaftlichen Entwicklung des Landes in den kommenden Dekaden. Man kann daher nicht alle Zertifikate gleichzeitig auf den Markt schmeißen, sondern braucht auxch hier bestimmte Regeln. Die muss die Weltklimabank zunächst erarbeiten. Wenn man diese Regeln hat, kann anschließend gekauft und verkauft werden, so dass sich der Preis dann auf dem Markt bildet. Wenn CO2-Zertifikate plötzlich etwas kosten, dann wird ein Effizienz-Motor in Gang gesetzt. Die Industrieländer werden sich darum kümmern, dass sie so energieeffizient und so treibhausgaseffizient wie eben möglich wirtschaften, denn die Emissionen kosten Geld. Auf der anderen Seite werden die Entwicklungsländer, selbst wenn sie noch Spielraum hätten, um ihre Emissionen zu steigern, ebenfalls so effizient wie möglich wirtschaften, denn das was sie nicht selber verbrauchen, können sie den Industrieländern verkaufen. Das heißt, wer sich klimaeffizient und energieeffizient verhält, der stärkt seine Wettbewerbsfähigkeit. Das ist eigentlich die Kernidee, die hinter dem Budgetkonzept steht. Wir stellen die Weichen in Richtung einer klimaverträglichen Weltwirtschaft.

Das Gespräch führte Helle Jeppesen
Redaktion: Andreas Ziemons