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"Ein kleiner Bach anstatt einer großen Flut"

8. Juli 2004

- Nur wenige Polen haben nach dem EU-Beitritt Arbeit im Ausland angenommen

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Warschau, 5.7.2004, RZECZPOSPOLITA, poln.

Es sollte eine große Ausreisewelle werden, aber nicht viele sind ausgereist. Nach den Berechnungen der Zeitung "Rzeczpospolita" sind höchstens einige tausend Polen in die Länder der alten EU ausgereist, die ihre Arbeitsmärkte für polnische Arbeitskräfte geöffnet hatten. Ein großer Teil von ihnen kam übrigens schon zurück.

"Ihr seid zwar nicht schlecht ausgebildet, aber ihr kennt unsere Realität und unsere Sprache nicht" erklären Vertreter der Verwatung in Großbritannien, Irland und Schweden gegenüber der Zeitung "Rzeczpospolita".

Das alles hat aber am Anfang ein sehr bedrohliches Ausmaß angenommen. Aus den Angaben des polnischen Generalkonsuls in London, Tomasz Trafas, geht hervor, dass allein innerhalb des ersten Monats nach der Öffnung der Grenzen etwa 50 000 Polen nach England gekommen sind. Viele von ihnen wurden jedoch enttäuscht: "Das war die erste Welle, die an der Küste Englands abprallte. Die Nächsten werden schon besser vorbereitet sein", sagt Konsul Tomasz Trafas.

Aus den vorläufigen Berichten des Innenministeriums in Großbritannien kann man entnehmen, dass dort lediglich ca. 7 000 Polen geblieben sind: "Dabei handelt es sich mit Sicherheit um keine Überflutung von Emigranten, von der früher mit Angst gesprochen wurde. Man kann lediglich von einem kleinen Bach sprechen", gibt Christopher Thompson von der Botschaft Großbritanniens in Warschau zu.

Das Ausmaß der Ausreisen ist so niedrig, dass Großbritannien die Öffnung des Arbeitsmarktes sicherlich auch weiterhin aufrechterhalten wird.

Warum trotz der hohen Arbeitslosigkeit in Polen nur wenige unserer Landsleute in Großbritannien geblieben sind? "Wir bieten zwar über eine halbe Million Arbeitsstellen an, aber bei den meisten von ihnen werden sehr hohe Anforderungen gestellt", erklärt Christopher Thompson.

In den Bussen, die nach dem 1. Mai nach England fuhren, saßen viele Menschen, die nicht einmal Englisch sprachen. "Es ist zu dramatischen Szenen gekommen. Manche Polen schliefen auf der Straße, andere wurden zu Opfern von Betrügern, die ihnen eine Arbeitstelle versprachen", sagt Laura Kryszczak von der Organisation Polskie Zjednoczenie (Polnische Vereinigung), einer der größten Organisationen der Polen in London und fügt hinzu: "Jetzt fahren so viele Menschen zurück, dass es Schwierigkeiten gibt, eine Fahrkarte für die Rückreise zu bekommen".

Eine ähnliche Ansicht vertreten auch die Beschäftigten der Botschaft Großbritanniens in Polen. Es sind gerade jetzt Faltblätter mit Informationen über die Beschäftigungsbedingungen in Großbritannien erschienen, die an alle Kreisarbeitsämter in Polen verteilt werden.

Die Polen können in England auf Arbeit auf dem Bau und als Babysitter zählen oder können auch in Hotels, Bars und Restaurants eine Beschäftigung finden. Dabei verdient man etwa 600 - 700 Pfund im Monat. Die Miete für ein Zimmer in den Vororten von London beträgt aber 350 - 400 Pfund, und die Metrofahrkarte für eine einfache Fahrt kostet etwa zwei Pfund. Aus diesem Grunde ziehen viele Polen es vor, schwarz zu arbeiten. Noch vor dem 1. Mai 2004 arbeiteten etwa 100 000 Polen illegal in Großbritannien.

Die hohen Lebenshaltungskosten dürfen auch die Polen nicht vergessen, die nach Irland fahren. Isabela Grabkowska von der polnischen Botschaft in Dublin warnt, dass man mindestens 1 000 Euro für den Unterhalt im Monat haben muss und dass der unterste Arbeitslohn bei 7,12 Euro liegt.

Das Bundesamt für Arbeit in Irland (FcS) verfügt noch über keine Statistiken, aus denen sich das Ausmaß an Beschäftigung von Kräften aus den neuen EU-Mitgliedsländern ableiten lässt. Auf dem Arbeitsmarkt in Irland werden sie genauso behandelt wie die einheimischen Arbeitskräfte. Man kann aber versuchen zu schätzen. Noch vor dem Beitritt Polens zur EU bekamen etwa 5 000 Polen eine Arbeitserlaubnis in Irland (...).

Im Mai 2004 kamen aber ein Drittel mehr Polen nach Irland als noch vor der Osterweiterung der EU, d. h. sicherlich nicht mehr als 1 000 Personen, und was dabei interessant ist: Frauen kommen öfter als Männer. "Man kann aber von keiner Überflutung durch Polen sprechen", versichern Vertreter des Arbeitsamtes in Irland.

Dort werden vor allem sehr gut qualifizierte Fachleute wie Architekten, Informatiker, Ärzte, Krankenschwestern, Bauarbeiter sowie Angestellte für den Dienstleistungssektor gesucht. Aber sogar in ihrem Fall vergehen manchmal viele Wochen, bis sie eine entsprechende Stelle finden.

Von einer Überflutung durch Polen sieht man aber auch in Schweden nichts. Aus den Angaben des schwedischen Ausländeramtes geht hervor, dass im ersten Halbjahr 2004, d. h. noch vor der Osterweiterung der EU etwa 2 600 Personen aus dem Osten nach Schweden eingereist sind und 2 400 von ihnen stellten einen Verlängerungsantrag. 1300 davon waren Polen. "Seit der Osterweiterung der EU kamen viel mehr Menschen aus den neuen EU-Ländern zu uns. Aber dieser Zuwachs kann auch durch die Sommersaison bedingt sein", sagt Roger Ole Larsson, von der Ausländerbehörde in Stockholm.

In Schweden hat man eine Flut von Polen befürchtet. Aus einer Umfrage, die von der schwedischen Zeitung "Metro" durchgeführt wurde, ging hervor, dass sich vier von zehn Polen für eine Ausreise nach Schweden entscheiden würden, um dort mindestens ein Jahr lang zu arbeiten. Das Leben hat jedoch alle diese Umfragen überholt. (sta)