1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Ein Jahr nach der Krise im tschechischen Fernsehen

17. Dezember 2001

- In Prag ging es vor 12 Monaten um Pressefreiheit

https://p.dw.com/p/1V2j

Prag, 14.12.2001, RADIO PRAG, deutsch

Vor einem Jahr um diese Zeit (...) herrschten im öffentlich-rechtlichen tschechischen Fernsehen (CT) turbulente Zustände. Eine Gruppe von etwa 20 CT-Redakteuren hielt für einige Wochen den Nachrichtenraum der Fernsehanstalt besetzt und protestierte auf diese Weise gegen den kurz zuvor gewählten neuen Generaldirektor Jiri Hodac. Sie warfen ihm vor, eine Marionette der beiden größten Parteien des Landes zu sein und sahen die Unabhängigkeit der Nachrichtenberichterstattung in Gefahr. Hodac trat dann schließlich gegen Ende Januar, nach nur zwei Monaten Amtszeit, von seinem Posten zurück.

Es ging jedoch bei der ganzen Angelegenheit keineswegs nur um die Person Hodac, sondern vielmehr um die prinzipielle Frage nach der Freiheit der tschechischen Medien. Um ihre Solidarität mit den streikenden Redakteuren zu bekunden, fanden sich damals in regelmäßigen Abständen auch viele tschechische Bürger zu Demonstrationen auf dem Wenzelplatz ein.

Ein Jahr später nun, nachdem die erhitzten Gemüter von damals wieder etwas abgekühlt sind, lud die Wochenzeitschrift "Respekt" im Theater Arche in der Prager Innenstadt zu einer öffentlichen Diskussion über die Folgen aus dem Fernsehstreik im vergangenen Winter. Geladen waren Jana Bobosikova, die damalige Nachrichtensprecherin des öffentlich-rechtlichen tschechischen Fernsehens und Befürworterin von dessen Generaldirektor Jiri Hodac, die Publizisten Martin Schmarc und Karel Hvizdala sowie Petr Stepanek, Vizevorsitzender des Rundfunk- und Fernsehrates.

Auf die Frage, welche Gedanken den Beteiligten kämen, wenn sie die Bilder von damals sähen, antwortetet der Publizist Martin Schmarc: "Ich bin traurig darüber, dass das Fernsehen schon bald nach dem Streik wieder angefangen hat, so zu funktionieren wie vorher. Außerdem finde ich es bedauerlich, dass die Politiker eine Atmosphäre der Revanche entfacht haben."

Petr Holub, Chefredakteur der Wochenzeitschrift "Respekt" sagte auf dieselbe Frage: "Wenn ich mir die Bilder angucke, habe ich das Gefühl, dass wir damals wirklich sehr stark von Emotionen geleitet waren. Für mich stellt sich jetzt die Frage, ob wir auch etwas mehr als Emotionen erlebt haben. Worum haben wir damals eigentlich gekämpft? Und was haben wir erkämpft?"

Für Jana Bobosikova, die damals nicht auf der Seite der Protestierenden stand, wurde damals überhaupt nichts erkämpft. Ihrer Meinung nach kann man hier lediglich von Verlusten sprechen. Der Streik habe gezeigt, dass die tschechische Demokratie noch zerbrechlich sei.

Martin Schmarc wiederum hielt diese Äußerung Jana Bobosikovas für einen grundlegenden und zudem gefährlichen Irrtum. Seiner Meinung nach ging es damals nicht um Demokratie, also um die Herrschaft der Mehrheit, sondern um einen individuellen Wert: die Freiheit des Wortes.

Petr Stepanek, Vizevorsitzender des Rundfunk- und Fernsehrates, brachte in einem Satz auf den Punkt, worum damals gekämpft wurde: "Es ging um drei Dinge: um Geld, um Politik und einigen Menschen ging es tatsächlich um Ideale."

Es bleibt zu erwarten, dass die angeregte Diskussion um die Rolle und Freiheit der Medien, an der sich auch das Publikum beteiligte, mit der Veranstaltung im Theater "Arche" nicht abgeschlossen ist. (ykk)