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Ein Jahr nach den Wahlen

Thomas Bärthlein19. Februar 2009

Ein Jahr Demokratie in Pakistan. Aber die Bilanz fällt nicht besonders überzeugend aus. Vor allem die Sicherheitslage in der Grenzregion zu Afghanistan hat sich eher noch verschlechtert.

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Pakistan vor den Wahlen im Februar 2008Bild: AP

Die Rückkehr zur Demokratie in Pakistan nach fast einem Jahrzehnt Militärherrschaft war vor einem Jahr von großen Erwartungen begleitet. Nicht nur die Pakistaner, sondern auch die internationale Gemeinschaft hatte das Vertrauen in Pervez Musharraf verloren, der sich hauptsächlich darauf konzentrierte, um jeden Preis selbst an der Macht zu bleiben. Eine demokratische Regierung würde es auch endlich schaffen, die Unterstützung der Bevölkerung für den Kampf gegen militante Extremisten zu mobilisieren, hofften viele.

Demokratie mit Mängeln

Wahlen in Pakistan Asif Ali Zardari bei der Abgabe seiner Stimme in Nawabshah
Der heutige Präsident Asif Ali Zardari bei der StimmabgabeBild: AP

Doch ein Jahr danach bleiben große Zweifel, inwieweit sich die Armee überhaupt aus der Politik verabschiedet hat. Immer wieder musste die zivile Regierung einen Rückzieher machen, wenn sie das Militär und den militärischen Geheimdienst Inter-Services Intelligence (ISI) in die Schranken weisen wollte - besonders in sensiblen Politikfeldern wie den Beziehungen zum Nachbarland Indien oder der Aufstandsbekämpfung im eigenen Land. Aufgrund dieser Einmischung des Militärs in politische Entscheidungen bezeichnet der Berliner Politikwissenschaftler Wolfgang Merkel Pakistan als "Demokratie mit Mängeln."

Die meisten Politiker in Pakistan heben dagegen hervor, dass die Demokraten die Armee zum Rückzug gezwungen haben - und das nicht zum ersten Mal in der pakistanischen Geschichte. Bisher habe das Volk noch jeden Militärdiktator gezwungen, vor der Demokratie zu kapitulieren, sagt Ahsan Iqbal, der Generalsekretär der zweitgrößten Partei, der Muslim-Liga von Nawaz Sharif. "Jeder Diktator musste irgendwann Wahlen abhalten, er hatte keine andere Wahl. Die Zivilgesellschaft bekämpfte jeden Diktator und zwang ihn abzutreten."

Vereint nur gegen Musharraf

Pervez Musharraf
Ex-Präsident Pervez MusharrafBild: dpa - Report

Ein Jahr lang hatte eine Massenbewegung in Pakistan, angeführt von Richtern und Anwälten, gegen Musharraf protestiert, weil er den Obersten Richter entlassen hatte. Nach den Wahlen vor einem Jahr regierte zunächst eine Große Koalition aus People's Party und der Muslim-Liga von Nawaz Sharif. Auch diese ungewohnte Einigkeit der traditionell verfeindeten Parteien schürte Hoffnungen auf einen demokratischen Neuanfang. Doch dann verließ die Muslim-Liga die Regierung, weil PPP-Chef Zardari die Wiedereinsetzung des Obersten Richters weiterhin blockierte. Ahsan Iqbal von der Muslim-Liga verteidigt diese Entscheidung. Das sei keine Partei-Politik gewesen, sondern vielmehr ein Signal für die Unabhängigkeit der pakistanischen Justiz. "Und das ist eine Garantie für den Rechtsstaat und für eine gute Regierungsführung."

Gefahr durch wachsende Radikalisierung?

Dossier Bild 1 Taliban in Pakistan
Taliban-Kämpfer in PakistanBild: AP

Die fehlende Konsens der Parteien ist eine große Herausforderung für die pakistanische Demokratie, der wachsende Einfluss der Taliban eine andere. Im Ausland wurde letztes Jahr besonders das schlechte Abschneiden islamistischer Parteien bei den Wahlen mit Erleichterung registriert. Und dennoch gibt es gerade bei der Bekämpfung des Extremismus derzeit die größten Zweifel am Erfolg der Demokratie in Pakistan. Die neue Regierung setzte erst auf Verhandlungen mit den Taliban, dann im Sommer auf neue Militäroffensiven in den Stammesgebieten an der afghanischen Grenze und im Swat-Tal. Keine Strategie hat Erfolge gehabt, im Gegenteil: Die Taliban kontrollieren mittlerweile praktisch das ganze Swat-Tal und haben die Regierung gerade erst gezwungen, der Einführung der Scharia dort zuzustimmen.

Für den Politikwissenschaftler Wolfgang Merkel ist die zunehmende Instabilität in Pakistan keine Überraschung. Eine derartige Instabilität sei vielmehr typisch für junge Demokratien. "Diktaturen sind politisch stabiler als ein Transformations-Regime. Es ist gut möglich, dass die Lage nach einem derartigen Wandel erst einmal unruhiger wird als vorher." Die Frage ist nur, ob Pakistan als Nachbarland Afghanistans und Hochburg militanter Islamisten die Zeit bekommen wird für eine langsame Demokratisierung.