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Ein Jahr mit George W. Bush

Daniel Scheschkewitz21. Januar 2002

Selten hat sich ein US-Präsident ein Jahr nach seinem Amtsantritt derart phänomenaler Zustimmungsraten erfreut wie George W. Bush. 80 Prozent der Amerikaner halten ihn für einen guten Präsidenten. Das war nicht immer so

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George W. BushBild: AP

Gewalttätige Proteste in Washington D.C am 20. Januar 2001. 10.000 Sicherheitskräfte müssen die Amtseinführung des 43. Präsidenten der Vereinigten Staaten absichern. Bush hält eine bemerkenswerte Antrittsrede, in der er verspricht, das Land zu einen und die tiefen Gräben zuzuschütten, die sein umstrittener Sieg per Gerichtsentscheid in den Wochen zuvor aufgerissen hatte. Bildungschancen für Kinder, Reformen im Rentenwesen und Steuersenkungen will Bush verwirklichen.

An das Ausland gewandt, sagt Bush, Amerika werde sich auch weiterhin in der Welt engagieren, aus historischen Gründen und aus freiem Willen - mit dem Ziel, ein Kräftegleichgewicht zu schaffen, das der Freiheit zugute komme.

Unilateralismus als Devise?

Doch zunächst muss Bush ein Kabinett bilden. Mit Dick Cheney als Vizepräsident, dem Golfskriegsveteranen Colin Powell als Außenminister und mit seiner Sicherheitsberaterin Condoleezza Rice holt sich Bush junior Sachverstand ins Weiße Haus, der sich schon unter seinem Vater bewährt hatte.

Bush bemüht sich, dem Eindruck zu begegnen, Unilateralismus sei die Devise der neuen Administration. Doch mit der Kündigung des Kyoto-Klima-Protokolls ausgerechnet am Tag vor seinem ersten Europabesuch im Juni 2001 scheint Bush genau diese, einseitige Wahrnehmung amerikanischer Interessen zu bestätigen.

Umstrittende Kündigung des ABM-Vertrags

In Ljubljana trifft Bush erstmals Russlands Präsidenten Wladimir Putin. Wie viele seiner Gesprächpartner nimmt er den Russen durch seinen Charme für sich ein, auch wenn Differenzen beim ABM-Vertrag und bei der umstrittenen Raketenabwehr bestehen bleiben. Vor den NATO-Verbündeten begründet Bush die angestrebte und sechs Monate später durchgeführte Kündigung des ABM-Vetrages: Die fundamentale Frage sei, ob sich friedliebende Nationen dazu durchringen könnten, ein Schutzsystem zu entwickeln, dass die so genannten Schurkenstaaten abschrecken könne. Er sei dafür, so Bush, aber deshalb müsse der ABM-Vertrag weichen.

Doch die Bedrohung sollte aus einer ganz anderen Richtung kommen. Am Morgen des 11. September steuern fanatische Moslem- Selbstmordattentäter zwei US-Passagierflugzeuge in die Türme des World Trade Centers in New York und reißen knapp dreitausend Menschen in den Tod. Ein drittes Flugzeug stürzt in Washington ins Pentagon - auch dort hunderte Tote und Verletzte. Bush erklärt in seiner Rede:

"Die Freiheit selbst wurde heute Morgen von einem gesichtslosen Feigling angegriffen. Wir aber werden die Freiheit verteidigen. Ich möchte allen Amerikanern die Gewissheit geben, dass wir mit allen uns zur Verfügung stehenden Mittel die Einsatzkräfte vor Ort unterstützen, um Leben zu retten und den Opfern zu helfen."

Langer Krieg gegen den Terror

Niemand solle sich täuschen: Amerika werde die Verantwortlichen jagen und zur Rechenschaft ziehen, betonte Bush. Es ist seine große Bewährungsprobe als Präsident, als oberster Kriegsherr und auch als Vater der Nation. Bush braucht einige Zeit, um sich vom Schock der Attacke zu erholen, doch dann ist er präsenter denn je - zur Not per Megaphon, wie am Ort des schrecklichen Geschehen am Ground Zero in New York.

Bush versteht es, die amerikanische Nation auf einen langen Krieg gegen den Terror einzuschwören, während er außenpolitisch eine breite Allianz gegen den Terror schmiedet. In Washington geben sich in den Wochen nach dem 11. September die Staats- und Regierungschefs die Klinke in die Hand. Auch Bundeskanzler Gerhard Schröder versichert den Amerikanern Deutschlands uneingeschränkte Solidarität.

Hohe Zustimmungsraten

Zwei Tage vor Schröders Besuch, am 7. Oktober, fliegen US-Kampfflugzeuge ihre ersten Angriffswellen gegen Ziele der El Kaida und Taliban in Afghanistan. Keine drei Monate später ist das Regime ohne größere amerikanische Verluste zu Fall gebracht, eine Übergangsregierung installiert. Nur die Ergreifung des mutmaßlichen Drahtziehers der Terroranschläge, Osama Bin Laden, lässt weiter auf sich warten.

Amerikas 43. Präsident erfreut sich im eigenen Land Zustimmungsraten ungekannten Ausmaßes und in Europa ist die Kritik - trotz Kündigung des ABM-Vertrages - zumindest vorübergehend verstummt. Bush weiß, der Krieg gegen den Terror ist noch lange nicht gewonnen und die Rezession noch lange nicht überwunden. Nichts wäre verhängnisvoller als ein erfolgsverwöhnter Müßiggänger im Weißen Haus.