1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

"Ein Jahr, ein Monat und fünf Tage"

Daniel Heinrich23. Oktober 2015

Alaa Houd floh vor dem Bürgerkrieg aus Syrien nach Deutschland. Sein größter Wunsch: Seine Frau und seinen Sohn in ein sicheres Leben nachholen. Jetzt ist die junge Familie endlich wieder vereint.

https://p.dw.com/p/1Gt6R
Deutschland Familie Houd am Flughafen
Bild: DW/D. Heinrich

Drei Jahre ist der kleine Gabriel erst alt und doch hat er schon eine Menge erlebt. Ein Drittel seines Lebens hat er seinen Papa nicht gesehen. Alaa Houd, 29, floh vor dem Bürgerkrieg in Syrien nach Deutschland. Nun, über ein Jahr später, kann der Papa seinen Sohn endlich wieder in den Arm nehmen.

"In Syrien hat er sich nachts immer ein Kopfkissen auf die Ohren gehalten, um den Lärm der Flugzeuge und Bomben nicht zu hören", erzählt seine Mama Hiba . Eineinhalb Tage war die 26-Jährige mit ihrem Sohn unterwegs. Zuerst mit dem Auto von ihrer Heimatstadt Damaskus in Syrien in den Libanon. Von Beirut ging es dann mit dem Flugzeug weiter. Zuerst nach Belgrad und von dort nach Düsseldorf. Trotz der langen Reise sieht man ihr die Strapazen kaum an. "Ich freue mich so über mein neues, sicheres Leben in Deutschland. Endlich kann ich wieder mit meiner Familie zusammensein".

"Der schönste Tag in meinem Leben"

"Ein Jahr, ein Monat und fünf Tage waren wir getrennt. Das war die reinste Qual. Ich habe alles an ihm vermisst", sagt sie und wirft ihrem Mann einen verliebten Blick zu. Seit neun Jahren kennen die beiden sich, seit vier Jahren sind sie verheiratet. Alaa, ganz der stolze Papa, schaukelt unterdessen seinen Sohn auf dem Schoß; und hört gar nicht mehr auf zu lächeln: "Es ist der schönste Tag in meinem Leben".

Soviel ist passiert seitdem er seine Frau und seinen Sohn das letzte Mal gesehen hat. Zunächst die gefährliche Flucht aus Syrien: Auf dem Mittelmeer, zwischen der Türkei und Griechenland, sank sein Boot. Stundenlang trieb er im Wasser bis ihn die griechische Küstenwache endlich aus dem Wasser fischte. Über Athen kam er mit Hilfe eines Schleppers nach Frankfurt.

Deutschland Flüchtling Alaa Houd wartet am Flughafen
Angespannt wartet Alaa Houd am Flughafen Düsseldorf auf seine Frau und seinen kleinen SohnBild: DW/D. Heinrich

Nach einer kleinen Odysse durch mehrere Erstnahmeaufnahmen gelangte er schließlich im Winter 2014 nach Radevormwald, einem kleinen Ort in der Eifel. Dort lebte er zehn Monate mit sieben anderen Flüchtlingen auf engstem Raum immer mit der Hoffnung, dass sein Asylantrag bewilligt würde und er seine Familie nachholen könnte. Nach Monaten des Wartens im Juli dann endlich der Bescheid für sein Bleiberecht und kurz darauf die erste eigene Wohnung; eine Wohngemeinschaft in Bonn.

Familienleben im Chatrooom

Die ganze Zeit stand er per Smartphone in Kontakt mit seiner Frau und seinem Sohn: Ein virtuelles Familienleben. Für mehr als einen Chat reicht es allerdings oft nicht. Für Videotelefonate per Skype war die Internetverbindung in Syrien oft zu schlecht. Die Sorge und die Sehnsucht nach seiner Familie trieben ihn beizeiten fast in den Wahnsinn: "Vorher war ich nie länger als drei Tage von meiner Familie getrennt".

Das Wiedersehen der Familie Houd

Nun also endlich das Wiedersehen: In der letzten Nacht hat er kaum ein Auge zugetan, zu groß war seine Aufregung. Müde ist er trotzdem nicht. Noch heute will er los und seinem Sohn ein Fahrrad kaufen. Ansonsten würden sie ihn nie müde kriegen. Seine Frau habe ihn schon vorgewarnt, alle zerbrechlichen Sachen im Zimmer wegzuräumen. "Er hat einfach zu viel Energie", lachen die beiden Eltern.

Viel Zeit zum Verschnaufen gibt es nicht für die junge Familie. Am Montag steht schon der erste offizielle Termin beim Ausländeramt an: Anträge für eine neue Wohnung ausfüllen. Gabriel kommt mit. Denn Anträge, das wird auch er bald lernen, gehören genauso zu Deutschland wie ein sicheres Leben.