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Gesellschaft

Ein Jahr "Asylpaket II"

Christina Ruta
24. Februar 2017

Eine schnellere Bearbeitung von Asylanträgen, das war das große Ziel des Asylpakets II, aber auch einige Verschärfungen beim Asyl. Was hat es gebracht? Eine Bilanz ein Jahr nach Verabschiedung des Maßnahmenkatalogs.

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Wartende Flüchtlinge
Bild: Getty Images/AFP/C. Stache

Hunderttausende Asylbewerber kamen 2015 nach Deutschland, um hier zumindest vorübergehend zu leben. Als Reaktion darauf beschloss der Bundestag am 25. Februar 2016 das "Gesetz zur Einführung beschleunigter Asylverfahren“ – kurz Asylpaket II. Menschenrechts- und Flüchtlingsorganisationen liefen damals Sturm. Was ist seitdem passiert?

Schnelle Asylverfahren durch die Einrichtung von Zentren

An den bayrischen Standorten Bamberg und Manching wurden zwei sogenannte "besondere Aufnahmeeinrichtungen" eröffnet. Dort werden Anträge von Menschen aus sogenannten sicheren Herkunftsstaaten wie einigen Balkanländern entschieden. Sie haben in der Regel kein Recht auf Asyl. Hinzu kommt die Einrichtung von 24 neuen Ankunftszentren. Dort findet das gesamte Asylverfahren zentral unter einem Dach statt - von der ärztlichen Untersuchung bis zur Entscheidung. Anfangs waren die Ankunftszentren vor allem für relativ einfache Verfahren zuständig - etwa für Syrer oder Menschen vom Balkan. Weil inzwischen weniger Asylsuchende nach Deutschland kommen, werden in den Zentren inzwischen jedoch Fälle aus vielen Herkunftsländern bearbeitet.

Deutschland Debatte zum Asylpaket II Zuschauer Bundestag
Zuschauer bei der Bundestagsdebatte zum Asylpaket II am 25. Februar 2016Bild: Getty Images/AFP/O. Andersen

Dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) zufolge haben die ergriffenen Maßnahmen "zu einer massiven Effektivitätssteigerung und Beschleunigung bei den Verfahren im Bundesamt geführt": So habe sich die Verfahrensdauer für Neuanträge stark verkürzt. Sie belief sich demnach für die Anträge, die in den vergangenen sechs Monaten gestellt wurden, auf rund zwei Monate. Zudem habe das BAMF die Zahl der Asylentscheidungen massiv steigern können: So konnte demnach 2016 über fast 700.000 Fälle entschieden werden, eine Steigerung von mehr als 140 Prozent im Vergleich zum Vorjahr (2015: rund 280.000).

Asylverfahren insgesamt dauern länger

Allerdings gibt es bezüglich der Verfahrensdauer laut einer Antwort des Innenministeriums auf eine Anfrage der Linken im Bundestag große Unterschied - je nach Herkunftsland der Betroffenen. Demnach bekamen Syrer im Schnitt nach knapp vier Monaten Bescheid. Betroffen von den langen Wartezeiten sind vor allem Menschen aus Somalia (17,3 Monate), der Türkei (16,3) und der Russischen Föderation (15,6). Laut der innenpolitischen Sprecherin der Linksfraktion, Ulla Jelpke, die die Anfrage gestellt hatte, werden viele Schutzsuchende sogar jahrelang im Unklaren gelassen. Denn: Meist müssten die Menschen auch noch ein halbes Jahr warten, bis sie überhaupt ihren Asylantrag stellen können. "Das ist für die Betroffenen völlig unzumutbar und für die Aufgabe ihrer Integration eine Riesenbürde", so Jelpke. 

Für die Statistik bedeuten diese Zahlen, dass die Asylverfahren 2016 nicht beschleunigt wurden. Im Gegenteil: Das BAMF brauchte im viertel Quartal 2016 im Schnitt 8,1 Monate, um über Asylanträge zu entscheiden. Im Gesamtjahr 2016 waren es noch 7,1 Monate, 2015 nur 5,2. Dem BAMF selbst zufolge würden diese statistischen Angaben allerdings der "Komplexität des Sachverhalts nicht gerecht" und legten falsche Schlüsse nahe. Denn: Aktuell würden gerade wegen der Effektivitätssteigerung zusätzlich über "viele komplexe Altverfahren" entschieden, und dies führe statistisch zu einer Steigerung der Gesamtdurchschnittszeiten.

Klagen und keine Mitarbeit bei Identifizierung

Außerden: Zum Teil sind die Migranten selbst verantwortlich dafür, dass die Asylverfahren - zumindest rein statistisch betrachtet - mehr Zeit in Anspruch nehmen als vorgesehen: zum Beispiel, wenn sich Flüchtlinge juristisch gegen ihre Ablehnung wehren. Und: Die Zahl derer, die klagt, ist gestiegen. Zwischen Januar und August 2016 lag die durchschnittliche Prozessdauer bei fast acht Monaten.

Auch Antragsteller, die ihre Identität fälschen, verschleiern oder sich weigern, aktiv an ihrer Identifizierung mitzuarbeiten, verlängern statistisch gesehen Asylverfahren. Wie viele Asylsuchende ihrer Mitwirkungspflicht bei der Identitätsprüfung nicht nachkommen, wird beim BAMF statistisch aber nicht erfasst.

Oft nur eingeschränkter Schutz

Die Einführung des Asylpakets II betrifft allerdings nicht nur die Verfahrensdauer. Seitdem erhalten immer mehr Bewerber, in der Regel sind Syrer betroffen, nur noch den sogenannten subsidiären Schutz. Während im Januar und Februar 2016 nur jeweils knapp 20 Syrer diesen Schutzstatus bekamen, stieg ihre Zahl im September auf die Höchstzahl von fast 24.000. Im Januar 2017 bekamen etwa 8200 von rund 13.400 Syrern subsidiären Schutz.

Die Begründung des BAMF: Seitdem auch alle syrischen Flüchtlinge wieder persönlich angehört würden und nicht mehr nur einen Fragebogen ausfüllen müssten, werde deutlich, "dass bei diesen vermehrt ein Bürgerkriegsschicksal, aber kein individuelles Verfolgungsschicksal vorliegt". Damit bekämen die Menschen kein Asyl nach dem Grundgesetz oder Flüchtlingsschutz nach der Genfer Konvention. Für Flüchtlinge, die nur einen eingeschränkten Schutzstatus bekommen, wurde zudem der Familiennachzug für einen Zeitraum von zwei Jahren ausgesetzt.

Deutschland Asylantrag
Manche Asylanträge dauern heute sogar länger als früherBild: picture-alliance/Frank May

Auch diese Regelung scheint die Dauer der Asylprozesse zu verschleppen, denn viele Menschen klagen dagegen: Den Linken zufolge klagten insgesamt mehr als 43.300 Syrer 2016. 

Abschiebungen erleichtert

Mit dem Asylpaket II wurden auch Abschiebungen erleichtert - zum Missfallen von Flüchtlingsorganisationen. "Es gibt vermehrt Abschiebungen von schwerkranken Menschen - vor allem in Bayern", kritisiert etwa Bernd Mesovic von Pro Asyl. So sei etwa bei den jüngsten Sammelabschiebungen nach Afghanistan zum Teil nicht genug geprüft worden, ob die Versorgung mit Medikamenten sowie die psychologische Hilfe im Herkunftsland sichergestellt sei.