1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
Politik

Ein inszenierter Mord und viele Fragen

Maksym Drabok tl
31. Mai 2018

Es klingt wie ein Agententhriller Marke Hollywood: Erst meldet die Ukraine, in Kiew sei ein Kremlkritiker ermordet worden, um ihn tags darauf quicklebendig der Weltöffentlichkeit zu präsentieren. Wozu diese Show?

https://p.dw.com/p/2yfs1
Vorgetäuschter Mord an Journalist Arkadi Babtschenko (Foto: Reuters/G. Garanich)
Bild: Reuters/G. Garanich

Spionage-Krimi um den russischen Journalisten Babtschenko: Gespräch mit Bernd Johann

Die Nachricht verbreitete sich wie ein Lauffeuer. Aus der ganzen Welt gab es Beileidsbekundungen, Politiker drückten ihre Trauer und Empörung aus. Auch Bundespräsident Steinmeier verurteilte den angeblichen Mord am 41-jährigen russischen Journalisten Arkadi Babtschenko scharf. Und dann die überraschende Wendung: Der Mord war nur inszeniert, vorgetäuscht vom ukrainischen Geheimdienst SBU, angeblich um an die Hintermänner eines tatsächlichen Mordkomplotts gegen Babtschenko heranzukommen. Doch das Vorgehen des SBU wirft viele drängende Fragen auf. Und sollte es keine Antworten geben, könnte dies die Glaubwürdigkeit der Ukraine untergraben.

War diese Inszenierung durch den ukrainischen Geheimdienst tatsächlich notwendig?

Um ein - auch nur geplantes - Verbrechen aufzuklären, muss man es nicht zwingend nachstellen. Möglicherweise wollte Kiew die größtmögliche Aufmerksamkeit erregen - und nur ein derart vorgetäuschtes Attentat konnte sicherstellen, dass die Medien weltweit das Thema aufgreifen würden. Kiew hatte wohl geplant, Russland vor dem Hintergrund der empörten Weltöffentlichkeit auf die Anklagebank setzen zu können. Stattdessen kann nun der Kreml Kiew beschuldigen, die internationale Gemeinschaft getäuscht zu haben.

Journalist Arkady Babchenko in Kiew ermordet
Aufgebrachte Bürger und ein Streifenwagen stehen vor dem angeblichen AnschlagsortBild: picture-alliance/dpa/Stringer/Sputnik

Wie glaubwürdig sind die ukrainischen Behörden nach diesem Vorfall noch?

Es gibt einen Unterschied zwischen "verdeckten Operationen" und einer "Zirkusshow". Wie soll die Welt nun reagieren, wenn das nächste Mal ein derartiger Vorfall gemeldet wird? Soll sie erst einmal ein bis zwei Tage abwarten, um sicherzugehen, dass dieser auch wirklich stattgefunden hat? Die Regierung in Kiew manövriert sich ins Abseits, falls sie keine überprüfbaren Beweise liefern kann, die das Vorgehen der Sicherheitskräfte rechtfertigen. Und selbst wenn es Beweise für die ukrainischen Anschuldigungen gegen Russland geben sollte, besteht die Gefahr, dass die Glaubwürdigkeit des Landes dauerhaft beschädigt sein könnte.

Kann es wirklich sein, dass Arkadi Babtschenkos Frau nichts vom inszenierten Tod ihres Mannes wusste?

Auf der Pressekonferenz nach der "Spezialoperation" wurde verkündet, dass Babtschenkos Familie nicht informiert war. Arkadi Babtschenko selbst entschuldigte sich noch während der Veranstaltung bei seiner live zugeschalteten Frau mit den Worten: "Es tut mir aufrichtig leid, Olechka, aber es gab keine andere Möglichkeit." Zuvor hatte die Kiewer Polizei berichtet, dass Babtschenkos Frau ihn mit Schussverletzungen im Rücken blutüberströmt in ihrer gemeinsamen Wohnung aufgefunden und daraufhin den Notarzt gerufen hätte. Babtschenko sei wenig später im Rettungswagen verstorben. Hierbei gibt es jedoch einige Ungereimtheiten, die aufgeklärt werden müssen.

Ukraine Journalist Arkadi Babtschenko PK in Kiew | mit Yuriy Lutsenko
Arkadi Babtschenko und der ukrainische Generalstaatsanwalt Juri LutsenkoBild: Reuters/V. Ogirenko

Wie konnte der ukrainische Geheimdienst den angeblichen Attentäter zur Mitarbeit bewegen?

Der Mann, der von Moskau den Auftrag zum Mord an Babtschenko bekommen haben soll, hatte mit dem ukrainischen Geheimdienst zusammengearbeitet. Dem Kiewer Generalstaatsanwalt Juri Lutsenko zufolge konnte der Geheimdienst die Attentatspläne rechtzeitig aufdecken und den Auftragsmörder "umdrehen". Noch gibt es jedoch hierzu keine weiteren Informationen.

Bislang fehlen für ein vollständiges Bild noch sehr viele Puzzleteile. Kiew wird vieles erklären müssen. Sonst könnte Russland die Deutungshoheit an sich reißen - und die "Spezialoperation" sich für Kiew noch als klassisches Eigentor erweisen.