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Ein Händedruck ist noch kein Durchbruch

5. Januar 2002

Musharrafs medienwirksamer Geste auf dem Südasiengipfel müssen Taten sowohl Pakistans wie auch Indiens folgen. Ein Kommentar von Christoph Heinzle.

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Pakistans Präsident Pervez Musharraf hat ein Händchen für den richtigen Ton und das richtige Timing. Seit Tagen konzentrieren sich alle Hoffnungen auf Entspannung zwischen Indien und Pakistan auf den Südasien-Gipfel in Nepal. Seit Tagen stellen sich viele die Frage: Treffen sich die beiden mächtigen Männer Indiens und Pakistans, nehmen sie die Gelegenheit wahr, den Weg zurück von der Front an den Verhandlungstisch zu finden?

Das beschäftigt längst nicht mehr nur die Politiker, Journalisten und Bürger der beiden Länder, das beschäftigt nicht mehr nur die Region Südasien: Indien und Pakistan haben Atomwaffen, und sie drohen mit einem Waffengang ausgerechnet in der Region, die ins Zentrum des Welt-Interesses gerückt ist seit dem 11. September und der Jagd nach Bin Laden und den Taliban in Afghanistan.

Deshalb überlegen die USA, ob sie einen Sonderbeauftragten nach Islamabad und Neu Delhi schicken, um beruhigend zu wirken und um deutlich zu machen, dass sie bei ihrem Anti-Terror-Feldzug eine zweite Front in der Region nun gar nicht brauchen können.

Und deshalb will der britische Premier Tony Blair unmittelbar nach dem Gipfel von Nepal auf Atal Behari Vajpayee und auf Pervez Musharraf einreden, um Schlimmeres zu verhindern, um aus dem Krieg der Worte keinen Krieg der Waffen werden zu lassen.

Die Welt schaut also auf diesen Konflikt. Pervez Musharraf weiß das und nutzte die internationale Aufmerksamkeit geschickt. Mit fester Stimme bekräftigte er Gesprächsbereitschaft, und pathetisch reichte er Vajpayee die Hand. Ein Überraschungscoup Musharrafs vor laufenden Kameras, eine Geste, der sich der greise indische
Ministerpräsident nicht entziehen konnte.

Der hatte merklich Probleme zu kontern. Kein klares Versöhnungssignal kam denn auch von Vajpayee, sondern die alte Forderung, Pakistan müsse deutlichere Schritte gegen den Terrorismus einleiten. Die Taktik Musharrafs ist klar: Pakistan will als Friedensstifter erscheinen, das scheinbar unversöhnliche Indien in Zugzwang bringen, und Pakistan sucht Image-Gewinn in der Welt, will den Vorsprung des viel größeren und wirtschaftliche potenteren Nachbarn Indien verkleinern - gerade am Vortag der Vermittlungsbemühungen Tony Blairs.

Doch tatsächlich muß Pakistan erst noch beweisen, dass es wirklich ernst macht mit dem Kampf gegen Moslem-Extremisten. Musharrafs Rede auf dem Gipfel in Nepal war auch in dieser Hinsicht bemerkenswert: Man müsse unterscheiden zwischen Terrorismus, den es zu bekämpfen
gelte und zwischen legitimem Freiheitskampf, betonte der Pakistaner.

Doch wo wird er die Grenze ziehen? Die internationale Gemeinschaft wird an diesem Punkt nachfragen, und sie muß es. Denn zurecht ist seit dem 11. September das Verständnis für als Freiheitskämpfer verkleidete Terroristen gesunken. Ringen um Selbstbestimmung, demokratischer Protest Ja, aber Gewalt als Fortsetzung einer gescheiteren politischen Auseinandersetzung wird niemand mehr
akzeptieren, da sollte sich Musharraf nichts vormachen.

Doch auch Indien muß sich hartnäckige Fragen gefallen lassen, denn der weltweite Kampf gegen den Terror darf nicht von einem Land für die eigenen Zwecke mißbraucht werden. Mit der Freiheit und Selbst-Bestimmung hat es Indien in Kaschmir nie sonderlich ernst gemeint, also muß es jetzt wieder an den Verhandlungstisch zurück finden, eine sture Blockade-Haltung und die ständige Drohung mit Krieg ist
inakzeptabel.

Der Händedruck in Kathmandu hat ein wenig von der Schärfe der vergangenen Tage und Wochen genommen, hat die unmittelbare Kriegsgefahr gemindert. Doch jetzt müssen Indien und Pakistan Taten folgen lassen und die internationale Gemeinschaft sollte ihren Druck auf die beiden Atommächte aufrecht erhalten.