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Ein Gentleman mit hintergründigem Witz

15. Dezember 2001

Der ägyptische Schriftsteller Nagib Machfus feiert am Dienstag (11. Dezember) seinen neunzigsten Geburtstag. Er ist der einzige Araber, der bislang mit dem Literatur-Nobelpreis geehrt wurde.

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Schriftsteller und Nobelpreisträger Nagib MachfusBild: AP

Langsam und mit größter Vorsicht führt Nagib Machfus eine Tasse mit starkem türkischen Mokka zum Mund, während ihm ein Freund zur Linken die politischen Ereignisse der vergangenen Woche vorträgt. "In Afghanistan sind bisher acht Journalisten und ein amerikanischer Soldat getötet worden", spricht der Freund dem schwerhörigen Literaturnobelpreisträger laut ins Ohr. Machfus meint trocken, dass der Amerikaner "wahrscheinlich auch noch krank" war.

Scharfsinnig und scharfzüngig

Der Ägypter Machfus, der 1988 als bisher einziger Araber mit dem Nobelpreis für Literatur ausgezeichnet wurde und am Dienstag (11. Dezember) seinen 90. Geburtstag feiert, hat viel Sinn für schwarzen Humor. Seine Bekannten, mit denen er sich jeden Sonntag in einem Hotel am Nil zu einem Schwätzchen unter Intellektuellen trifft, fragt er an diesem kühlen Dezemberabend schelmisch, warum sie denn nicht den saudischen Terroristenführer Osama bin Laden eingeladen hätten. Das hätte ihre Diskussion doch bestimmt bereichert, sagt er mit leisem Lächeln. Höflich verabschiedet er sich von allen mit Handschlag.

Mit Worten gegen extremistische Gewalt

Als toleranter Moslem hat Nagib Machfus für islamische Eiferer keinerlei Verständnis. Vor allem nicht für solche, die ihre Weltsicht mit Gewalt verbreiten wollen. Der Schriftsteller Machfus – selbst oft wegen seiner kritisch-analytischen Werke von der ägyptischen Zensur und auch von den Moslembrüdern attackiert – wurde 1994 zum Opfer fanatischer Islamisten. Zwei Attentäter stachen den betagten Autoren vor seiner Wohnung im Kairoer Stadtteil Agouza nieder. Von den Verletzungen erholte sich Machfus nie vollständig. Traf er sich früher gern mit Freunden in einer Cafeteria, so sucht er heute aus Sicherheitsgründen lieber Hotels auf, die gut bewacht sind.

Machfus' Werk nach wie vor umstritten und aktuell

Zu den bekanntesten der rund 40 Romane, Geschichten und Theaterstücke des ägyptischen Schriftstellers zählen die "Kairoer Trilogie" und die "Midaq-Gasse". Viele seiner Werke liegen auch in deutscher Übersetzung vor. Vor allem in seinen frühen, dem sozialen Realismus verschriebenen Romanen und Erzählungen verstand es Nagib Machfus wie kaum ein anderer ägyptischer Autor, die verschiedenen Kairoer Milieus darzustellen. Doch schon seit einigen Jahren schreibt Machfus nicht mehr selbst, und seine Fähigkeit zu sehen ist stark eingeschränkt.

Seit Ende der 50er Jahre finden sich in den Romanen des Schriftstellers auch Anklänge an eine mehr symbolische Gestaltung, so auch in seinem wohl umstrittensten Roman "Die Kinder unseres Viertels" von 1959. Das Werk über den Widerstreit von Wissen, Glaube und falschen Heilslehren hat dem sehr eng mit seiner Heimat verbundenen Autor mehr Ärger beschert als jedes andere. Einige Kritiker stuften es gar als "gotteslästerlich" ein.

Wie aktuell die Bücher von Machfus heute noch sind, zeigt eine Polemik, die im vergangenen Frühjahr um eine Radioversion einer Episode aus dem Buch "Die Kinder unseres Viertels" entbrannte. Einige ägyptische Intellektuelle empörten sich über die Tatsache, dass man das Werk vor Beginn der Produktion der Radioserie erneut den Religionsgelehrten der islamischen Al-Azhar Universität zur Prüfung vorlegte.