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Ein geheimnisvolles Schiff vor Syrien

Marcel Fürstenau21. August 2012

Die deutsche Marine kreuzt vor dem Bürgerkriegsland. Von einem Routineeinsatz spricht die Bundesregierung. Die Opposition nennt es Kriegsbeteiligung. Was es wirklich ist, wird die Öffentlichkeit wohl nie erfahren.

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Das Flottendienstboot «Oker» auf dem Weg zu einem Einsatz im östlichen Mittelmeer. (Foto: Marine dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

Über den angeblichen Spionageeinsatz der "Oker" im Mittelmeer hatte die "Bild am Sonntag" berichtet. Das Flottendienstboot soll mit hochmoderner Abhörtechnik des Bundesnachrichtendiensts (BND) ausgestattet sein, mit der vom Wasser aus tief ins Bürgerkriegsland Syrien hinein Informationen gesammelt werden könnten. Diese wiederum würden an us-amerikanische und britische Partnerdienste weitergegeben und von dort zu den syrischen Rebellen gelangen. Sollte der Zeitungsbericht im Kern zutreffen, wäre der Einsatz tatsächlich brisant. Denn nach offiziellen Angaben ist Deutschland in keiner Weise in den syrischen Bürgerkrieg verwickelt.

Der Unterschied zwischen Aufklärung und Spionage

So oder so – das Wort vom "Spionageboot" macht längst die Runde. Diesen Verdacht äußerten Oppositionspolitiker der Linken und Grünen. Nach Lesart des Verteidigungsministeriums hingegen handelt es sich bei der "Oker" und zwei weiteren Booten um "Frühwarn-, Fernmelde- und Aufklärungseinheiten mit großem Aktionsradius". Ministeriumssprecher Stefan Paris bezeichnete das Manöver vor der syrischen Küste als unbewaffneten Routine- und Aufklärungseinsatz, "wie wir ihn regelmäßig machen".

Verteidigungsminister Thomas de Maizière vor einer Stellwand mit dem Logo und Schriftzug der Bundeswehr. (Foto: Maurizio Gambarini / dpa)
Verteidigungsminister Thomas de MaizièreBild: picture-alliance/dpa

Das Boot werde bis etwa Ende des Jahres im Einsatz sein. Sein Auftrag sei an seinen Fähigkeiten abzulesen, sagte Paris: "Informationen gewinnen". Zu den Details, Zielen und Ergebnissen des Einsatzes könne er "wie immer" keine Auskunft geben, ergänzte der Sprecher von Verteidigungsminister Thomas de Maizière. Auch aus dem Bundeskanzleramt, das für den Geheimdienst BND zuständig ist, gab es nur allgemeine Mitteilungen. Angela Merkels Sprecher Steffen Seibert sagte, zu nachrichtendienstlichen Vorgängen könne er, "wie üblich und grundsätzlich", keine Auskunft geben.

Die Rolle des Parlamentarischen Kontrollgremiums

Eine Ausnahme bildet das Parlamentarische Kontrollgremium des Deutschen Bundestages (PKG). "Wenn es denn zu Fragen der Abgeordneten käme, würde die Bundesregierung natürlich auch entsprechende Informationen geben", betonte Seibert. Dieser Hinweis ist deshalb bemerkenswert, weil die Bundesregierung gemäß PKG-Gesetz zur Unterrichtung verpflichtet ist. Demnach muss das geheim tagende Gremium "umfassend über die allgemeine Tätigkeit" des BND, aber auch des Militärischen Abschirmdienstes (MAD) und des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV) informiert werden.

Der Grünen-Abgeordnete Hans-Christian Ströbele gehört dem PKG an und fühlte sich von der Regierung schon oft schlecht oder gar nicht informiert. Anlässlich des im Mittelmeer manövrierenden deutschen Marinebootes erwägt er nun, eine Sondersitzung des Parlamentarischen Kontrollgremiums zu beantragen. Doch selbst wenn es dazu käme, blieben die dort gegebenen Informationen geheim. Die PKG-Mitglieder sind zur Verschwiegenheit verpflichtet.

Der Grünen-Abgeordente Hans-Christian Ströbele mit seinem Markenzeichen, einem roten Schal. (Foto: Markus Hibbeler / dapd)
Grünen-Politiker Hans-Christian StröbeleBild: dapd

NATO-Partner werden informiert

Es bleibt ihnen lediglich vorbehalten, ihren Unmut über die Informationspolitik der Bundesregierung zu artikulieren. Wobei die Einschätzungen der Abgeordneten meistens unterschiedlich sind. Hans-Peter Uhl, Geheimdienstkontrolleur der regierenden Unionsparteien (CDU/CSU), sieht im Fall des "Oker"-Einsatzes vor der syrischen Küste keine "Meldepflicht" für die Bundesregierung. Gegenüber der Online-Ausgabe der "Frankfurter Rundschau" sagte Uhl, das Assad-Regime mit technischen Mitteln abzuhören, gehöre zu der "ganz normalen nachrichtendienstlichen Tätigkeit". Würde der BND allerdings erfahren, dass das Assad-Regime Chemiewaffen zum Einsatz bringe oder diese in die Hände der Aufständischen fallen könnten, wäre das ein Vorgang von politischer Bedeutung, "über den das deutsche Parlament informiert werden müsste", stellte der Unionspolitiker klar.

Am Montag (20.08.2012) hatte US-Präsident Barack Obama Syrien mit einem Militäreinsatz gedroht, sollte Assad chemische oder biologische Waffen einsetzen. Schon bei der Vorbereitung eines solchen Einsatzes sei die "rote Linie" überschritten, sagte Obama. Die entscheidenden Hinweise könnten theoretisch vom BND kommen. Sollte der deutsche Geheimdienst im Rahmen seines Marineeinsatzes entsprechende Erkenntnisse gewinnen, dürften die USA automatisch informiert werden. Der deutsche Regierungssprecher Seibert sagte ebenfalls am Montag: "Ganz generell halte ich es für normal, dass Erkenntnisse auch mit NATO-Partnern geteilt werden".

Erinnerungen an den Irak-Krieg

Ein Aufsehen erregender Fall war vor Jahren im Zusammenhang mit dem Irak-Krieg 2003 bekannt geworden. Obwohl sich Deutschland unter dem damaligen Bundeskanzler Gerhard Schröder nicht der US-geführten Allianz gegen das Regime Saddam Husseins angeschlossen hatte, waren BND-Agenten während der Bombardierung Bagdads im Einsatz. Sie sollen den USA wertvolle Hinweise über irakische Truppenbewegungen und davon abzuleitende militärische Angriffe gegeben haben. Kritiker warfen der Regierung daraufhin vor, auf diese Weise im Widerspruch zur öffentlichen Rhetorik am Krieg teilgenommen zu haben und für zivile Opfer verantwortlich zu sein.