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Kleine Quelle-Geschichte

20. Oktober 2009

In den Zeiten des Wirtschaftswunders stieg Quelle zu Europas größtem Versandhaus auf. Doch nach dem Tod des Firmengründers Gustav Schickedanz ging es stetig bergab. Eine kleine Geschichte des Versandhauses Quelle.

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Hände auf Paket mit Quelle-Packband (Foto: AP)
Der traditionsreiche Versandhandel von Quelle läuft nicht mehrBild: AP
Gustav und Grete Schickedanz (Foto: dpa)
Gustav und Grete Schickedanz im Januar 1970Bild: picture-alliance / dpa

"Ich bin überzeugt, dass die Leute an der Quelle kaufen wollen", soll der Fürther Kaufmann Gustav Schickedanz gesagt haben, als er am 7. November 1927 sein erstes Versandhaus im Handelsregister der Stadt eintragen ließ. Wenn es denn nicht wahr ist, ist es zumindest gut erfunden.

In den 30er Jahren des vergangenen Jahrhunderts expandierte sein Unternehmen sehr schnell. Unterbrochen wurde sein Aufstieg zum "Versandhauskönig" nur eine kurze Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg, als er sich einem Entnazifizierungsverfahren stellen musste. 1949 wurde er als "Mitläufer" eingestuft, und schon 1950, im ersten vollen Geschäftsjahr nach seinem Berufsverbot, setzte die Quelle GmbH über 40 Millionen D-Mark um.

Quelle-Katalog als Spiegel der Gesellschaft

Das Massenkommunikationsmittel des Gustav Schickedanz war in den Zeiten des deutschen Wirtschaftswunders der Katalog. "Was sich nicht im Quelle-Katalog findet, ist für die bundesdeutsche Wohlstandsgesellschaft weder bedeutsam noch charakteristisch", schrieb Gregor Schöllgen, Direktor des Zentrums für Angewandte Geschichte, im Juni 2009 in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. "Jahrzehntelang ist der Quelle-Katalog ein zuverlässiger, vielleicht der genaueste Spiegel der wirtschaftlichen, aber auch der gesellschaftlichen und kulturellen Entwicklung der Republik."

Mitarbeiterinnen arbeiten in den 60er Jahren in der Versandpackerei des deutschen Großversandhauses Quelle im österreichischen Linz (Foto: dpa)
Die Quelle-Versandpackerei im österreichischen Linz in den 60er JahrenBild: picture-alliance/ dpa

Wie recht Schöllgen damit hat, lässt sich an einem Beispiel ablesen: Als Ende der 60er Jahre die Beatles populär wurden, fanden sich im Quelle-Katalog plötzlich Elektro-Gitarren, Verstärker und Schlagzeuge, die zur Erstausrüstung so mancher Schülerband Anfang der 70er Jahre wurden. Quelle ging immer mit der Zeit, lieferte bezahlbare Mode, Elektrogeräte – und ab 1962 sogar Fertighäuser. Der Quelle-Hauptkatalog hatte pro Jahr eine Auflage von rund neun Millionen Exemplaren, in der damaligen DDR galt er als eine Art alternatives Kultbuch, und zu Spitzenzeiten bezeichnete sich fast jeder zweite Westdeutsche als Quelle-Kunde.

Expansion ins Ausland

Der Expansion in Deutschland folgte die Expansion nach Südosteuropa mit den Auslandstöchtern in Estland, Lettland, Litauen, Polen, Rumänien, Russland, Griechenland, Italien, Kroatien, Österreich, Schweiz, Slowakei, Slowenien, Tschechien, Türkei, Ukraine und Ungarn. So wurden auch die Bilanzpressekonferenzen in Fürth immer internationaler. Unvergessen die Frage einer russischen Journalistin, warum es im Katalog für Damenoberbekleidung nur schlanke Größen und keine Übergrößen gebe…

Kombibild Quelle Arcandor (Foto: dpa/DW)
Von Quelle zur Arcandor AGBild: dpa/DW

1977, im 50. Jahr des Bestehens von Quelle, starb der Firmengründer Gustav Schickedanz im Alter von 82 Jahren. Das Unternehmen wurde zunächst von seiner Witwe Grete Schickedanz weitergeführt, die 1984 einen Manager namens Klaus Zumwinkel in den Vorstand holte. Der ärgerte sich auf so mancher Bilanzpressekonferenz in Fürth über die Unzuverlässigkeit der deutschen Bundespost, zu deren größten Kunden Quelle zählte - ohne zu ahnen, dass er selbst mal deren oberster Chef sein würde.

Grete Schickedanz starb am 23. Juli 1994 - und dieses Jahr wird von den meisten Beobachtern als das Ende der Kontinuität bei Quelle bezeichnet. 1999 wurde das Familienunternehmen in eine Aktiengesellschaft umgewandelt und zur Karstadt-Quelle AG, später Arcandor AG umbenannt. Seitdem haben zahlreiche Vorstandschefs versucht, den Niedergang des einstmals größten europäischen Versandhauses zu verhindern - ohne Erfolg.

Autor: Rolf Wenkel
Redaktion: Julia Elvers-Guyot