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Ein entwurzeltes Volk

Wolfgang Dick10. März 2003

Die Kurden gelten als weltweit größte ethnische Gruppierung ohne eigenen souveränen Staat. Ein entwurzeltes Volk. Doch wie ist es dazu gekommen, dass es bis heute kein autonomes Kurdistan gibt?

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Kurdische Milizen in NordirakBild: AP

Die 3,5 Millionen Kurden im Irak machen ein Fünftel der irakischen Bevölkerung aus. Dass die Kurden sich im Norden des Iraks gesammelt haben, hängt ganz entscheidend mit ihrem historischen Lebensraum zusammen. So leben in direkter Nachbarschaft zum Nordirak, im Iran, in Syrien und in der Türkei ebenfalls Kurden, die dort jeweils eine Minderheit im Lande stellen. 20 Millionen Kurden verteilen sich auf vier Staaten, die es in ihrer heutigen Form erst seit rund 80 Jahren gibt.

Das Drama der Kurden begann entscheidend mit der Zerschlagung des Osmanischen Reiches, in dem sie lebten. Auf dem Höhepunkt der Macht erstreckte sich dieses Osmanische Reich über drei Kontinente. Von Ungarn im Norden bis nach Aden im Süden und von Algerien im Westen bis zur iranischen Grenze im Osten. Den Mittelpunkt bildete das Gebiet der heutigen Türkei. Schon im Osmanischen Reich waren die Kurden staatenlos, aber ihre Lage sollte sich dramatisch verschärfen, als die regionalen Verhältnisse des lange von Briten und Franzosen beherrschten Kolonialismus im Nahen Osten neu geordnet wurden.

Atatürk

Im Zuge des Ersten Weltkrieges rückten 1917 britische Truppen ins damalige Gebiet des Irak ein. Grenzen wurden neu definiert. 1923 rief Kemal Atatürk die türkische Republik aus und erhob Ansprüche auf die ölreiche Region um Kirkuk und Mosul, in der schon damals viele Kurden lebten.

Atatürk verdrängte griechische, britische, französische und italienische Besatzungsmächte und setzte bei den Friedensverhandlungen 1923 in Lausanne alle erdenklichen Machtregelungen durch - ein Hauptteil der kurdischen Gebiete fiel unter die Herrschaft der Türkei. Die Hoffnungen der Kurden auf einen eigenen Staat erfüllten sich nicht. Auch wenn US-Präsident Wilson hervorhob, dass der Schutz nationaler Minderheiten gewährleistet sein sollte, so wurde doch deutlich, dass die alliierten Mächte die Kurden für politisch unfähig hielten, um sich selbst zu verwalten.

Interessenspiel der Weltmächte

Für ein autonomes Kurdistan hätten zudem Gebiete unter amerikanischer und französischer Herrschaft abgegeben werden müssen. Darunter auch die Erdölfelder von Mosul. Soweit ging das Selbstbestimmungsrecht der Völker 1923 nicht. 1932 besiegelte die völkerrechtliche Anerkennung des Iraks in seiner jetzigen Ausdehnung die Situation der Kurden.

Nach dem Zweiten Weltkrieg kam es auch zu keiner Änderung. In den 1950er Jahren unterstützte der CIA den Umsturz im Iran und brachte den Schah zurück an die Macht. Im Irak wurde gegen den von den Briten eingesetzten König geputscht. 1968 kommt Saddam Hussein an die Macht.

Die Kurden wurden im Interessenspiel der Weltmächte zerrieben. Im Norden Iraks werden sie vom Iran unterstützt und von Saddam Hussein bekämpft. 1986 setzte der Diktator Chemikalien gegen Kurden im eigenen Land ein. 4000 Menschen starben. Die Chemikalien stammten teilweise vom damaligen Waffenbruder des Iraks, aus den USA - deklariert als "Insektenbekämpfungsmittel".