Ein charmanter Patron
18. Juni 2003Zu den besonderen Qualitäten von Russlands Präsident Wladimir Putin zählen sein Charme und ein Händchen für das Zwischenmenschliche. Sein Talent, jeden Gesprächspartner von US-Präsident George Bush bis zum Dorfschullehrer im hintersten Eckchen des Riesenreiches Glauben zu machen, er verstehe gerade ihn besonders gut, stammt vermutlich noch aus der Agentenschule. Es gehört zu seinem Regierungsstil, niemanden vor den Kopf zu stoßen. Er ist ein Meister der Kompromisse, einer, der sich keine Feinde und dem Volk möglichst alles Recht machen will.
Weich nach oben
Welche Auszeichnung hätten Sie denn gerne? Lieber den kommunistischen roten Stern oder doch den Doppeladler der Zarenmonarchie? Am besten Beides. Dieser einfachen Methode bedient sich der russische Präsident, um unliebsame Provinzpolitiker kaltzustellen und sie auf einen attraktiven, aber unbedeutenden Posten zu entsorgen. Schon zu Sowjetzeiten fielen ungeliebte Kader auf diese Weise weich nach oben.
Jüngstes Beispiel wurde der St. Petersburger Gouverneur Wladimir Jakowlew, mit dem Präsident Putin noch aus seiner Petersburger Zeit in herzlicher Feindschaft verbunden ist. Jakowlew hatte sich 1995 gegen Putins politischen Ziehvater Anatolij Sobtschak gestellt und ihn erfolgreich aus dem Amt des Bürgermeisters verdrängt. Seitdem verwaltete er bestenfalls den Stillstand an der Newa. Haften blieben an seiner Regierung vor allem massive Vorwürfe von Korruption und Veruntreuung. Der im Kreml ungeliebte Jakowlew ist schon länger im Visier des Präsidenten.
Des Präsidenten sechster Stellvertreter
Doch statt ihn in die Wüste zu schicken, ernannte Putin ihn nun zum sechsten stellvertretenden Ministerpräsidenten, zuständig für Wohnungswirtschaft, Bauwesen und Verkehr. Auf den ersten Blick erscheint Putins Rochade als fragwürdig, schließlich hat Jakowlew genau in diesen Bereichen praktisch nichts bewegt. Rasche Erfolge sind in seinem neuen Amt kaum zu erwarten. Genau dies könnte Putins Kalkül sein, um einen ungeliebten Politiker nach den Parlamentswahlen im Dezember noch weiter ins politische Abseits zu befördern.