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"Ein besessener George Bush"

8. März 2003

Noch einen Blix-Bericht wird es wohl nicht geben: Am Dienstag (11.3.) wird im Weltsicherheitsrat über Krieg oder Frieden entschieden. Aber - ist die Entscheidung nicht längst gefallen? Ein Blick in die Presse Europas.

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"Berner Zeitung": Krieg um jeden Preis

Die in der schweizerischen Hauptstadt erscheinende Zeitung schreibt: "Bush will den Krieg. Niemand wird ihn umstimmen können, weder Millionen von Demonstranten noch die anderen Vetomächte im UN-Sicherheitsrat, weder die Skeptiker, die auf die fatalen politischen Folgen aufmerksam machen, noch die Mahner, die vor einer humanitären Katastrophe warnen. Während die Waffeninspektoren von Fortschritten und Kooperationsbereitschaft sprechen, behauptet Bush das Gegenteil, ohne jedoch glaubhafte Beweise vorzulegen. Das nährt den Verdacht, dass Bush an einer gewaltlosen Entwaffnung des Iraks unter der Regie der Vereinten Nationen gar nicht interessiert ist. Auch wenn es im Irak keine einzige Rakete mehr gäbe, keinerlei chemische oder bakteriologische Kampfstoffe, nichts, was mit einer Bedrohung der USA in Verbindung gebracht werden könnte, so würde dies am Kurs Washingtons nichts ändern. Bush will Saddam entmachten, koste es, was es kosten mag."

"The Guardian": Blair gegen die UN

In der linksliberalen britischen Zeitung heißt es: "Der britische Versuch, die zweite UN-Resolution zu retten, hat Züge von Verzweiflung. Auf der einen Seite steht ein besessener, unnachgiebiger George Bush, der angeblich für einen Angriff 'keine Erlaubnis' braucht, aber immer noch auf die Briten zählt. Auf der anderen Seite stehen fast die gesamten Vereinten Nationen, einschließlich vieler unserer engsten Verbündeten. Die Frage, wie genau Tony Blair und sein glückloser Außenminister Jack Straw in diese lächerliche, schädigende und gefährliche Lage kamen, wird Historiker noch lange beschäftigen. Ob - und wie - sie aus dieser Situation wieder herauskommen - wenn überhaupt - werden wir in den nächsten aufregenden Tagen erleben."

"La Repubblica": UN als erstes Opfer

Die römische Tageszeitung kommentiert: "Die Vereinigten Staaten haben sich jeden Ausweg verbaut, sie sind gezwungen, einzumaschieren und zu gewinnen. (...) Seit gestern (7.3.) ist es etwas schwieriger geworden, über 'westliche Werte' zu sprechen, die die so verschiedene Visionen der künftigen Welt automatisch vereinigen sollten. Jemand ist gerade dabei, diese 'Werte' zu verraten. (...) Wenn die Bomben gefallen sind, werden nicht einmal die geschicktesten Diplomaten so tun können, als hätten alle gewonnen und alle Recht. Aus diesem epochalen Konflikt wird jemand mit kaputten Knochen herauskommen, und ein Opfer gibt es schon: die Vereinten Nationen."

"Der Tagesspiegel": Destabilisierung der Nachbarstaaten?

Der in der deutschen Hauptstadt Berlin erscheinende "Tagesspiegel" schreibt: "Der neue Sound: Schröder und Fischer haben Bush die Missachtung des Völkerrechts vorgeworfen, aber die Vokabel 'rechtswidriger Angriffskrieg' wird man von ihnen nicht hören - auch weil der Vorwurf sie jetzt indirekt mitträfe. Sie haben es sich offen gehalten, die Resolution 1441 als ausreichende Kriegsgrundlage zu interpretieren. Sie hatten gewarnt, dieser Krieg sei unkalkulierbar und werde viele Opfer kosten, vor allem im Irak; und womöglich die ganze Region ins Chaos stürzen. Nun müssen sie darauf setzen, widerlegt zu werden, und hoffen, dass die Amerikaner schnell siegen, problemlos, mit wenig Opfern - und ohne Destabilisierung der Nachbarstaaten."

"Algemeen Dagblad": Der Krieg steht vor der Tür

Das niederländische unabhängige "Algemeen Dagblad" meint: "Weil auch die öffentliche Debatte in den USA immer skeptischer wird, vor allem, wenn es um einen Krieg geht, dem die Zustimmung des Sicherheitsrates fehlt, hat Bush immer mehr Eile. Für das dringende Ersuchen, mehr Geduld zu zeigen, wie es andere ständige Mitglieder des Sicherheitsrates an die USA richten, haben der Präsident und seine Anhänger kein Ohr. (...) Es besteht ein fundamentaler Unterschied in der Beurteilung der Waffeninspektionen und der Rolle, die sie bei der Entwaffnung des Iraks spielen können. Bush und seine Leute haben daraus längst ihre Schlussfolgerung gezogen, ungeachtet der Folgen für den Irak, der Situation im Nahen Osten und der Beziehungen zu befreundeten Nationen. Der Krieg steht vor der Tür." (arn)