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"Eigennutz vor Augen"

27. Juli 2004

In Schwellen- und Dritte-Welt-Ländern hoffen viele auf Wohlstand durch den Welthandel. Das WTO-Abkommen soll helfen, doch Experten sind kritisch.

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Bauern in armen Ländern bangen um ihre ErträgeBild: Germano Schüür

In den Verhandlungen über das geplante Rahmenabkommen zum Welthandel hat der Generaldirektor der Welthandelsorganisation (WTO), Supachai Panitchpakdi, die Mitgliedsländer zur Einigung aufgerufen. Sie müssten bis Ende Juli 2004 alle dazu nötigen Anstrengungen unternehmen, erklärte Panitchpakdi zu Beginn der Verhandlungen in Genf (26. bis 30.7.2004). Es gehe um bessere Handelschancen für alle Länder und mehr Gleichberechtigung im Welthandel. Streit gibt es vor allem um die Abschaffung aller Exportsubventionen im Agrarbereich. Diese bevorteilen vor allem die Landwirtschaft reicher Länder.

Einseitige Begünstigung der Industrienationen?

Millionen Menschen in Asien, Afrika und Lateinamerika könnten sich nach Ansicht von Panitchpakdi durch ein Handelsabkommen aus der Armut befreien. Doch auch Kritik von verschiedenen Seiten wird an den Plänen geäußert. "Die Gespräche in Genf könnten scheitern wie die Welthandelskonferenz 2003 im mexikanischen Cancun", warnt Celine Charveriat, Handelsexpertin der Entwicklungsorganisation Oxfam: "Denn trotz ihrer Versprechen, den Armen zu helfen, haben die reichen Länder nur ihren Eigennutz vor Augen."

Charveriat geht vor allem mit dem WTO-Fahrplan hart ins Gericht. Der Text, ausgearbeitet von Panitchpakdi und dem Vorsitzenden des WTO-Botschafterrates, dem Japaner Shotaro Oshima, begünstige einseitig die Reichen. Besonders im Schlüsselbereich Landwirtschaft könnten die Armen regelrecht unter die Räder kommen, fürchtet die Expertin. Die Abschaffung der milliardenschweren Subventionen für die Landwirtschaft der Reichen würde laut Plan auf die lange Bank geschoben. Und die Bauern des Südens würden keinen besseren Zugang zu den Märkten des Nordens erhalten.

Ausnahmeregeln für die EU

Denn wirtschaftliche Führungsmächte wie die EU wollten Ausnahmeregeln für "heikle Produkte" durchboxen. Bis zu 1400 verschiedene Agrargüter könnten somit von Zollsenkungen ausgenommen werden: Von bestimmten Milchsorten über Getreide bis hin zu Fleisch. "Das wäre für die Entwicklungsländer fatal, weil viele auf den Export landwirtschaftlicher Produkte angewiesen sind", erläutert Alexandra Strickner vom Genfer Institut für Landwirtschaft und Handelspolitik. "Die Reichen wollen freie Fahrt für ihre Unternehmen in den Entwicklungsländern", kritisiert sie. "Aber die Agrarmärkte der Reichen bleiben gut geschützt."

Auch die Vertreter der Entwicklungsländer können sich mit dem WTO-Entwurf nicht anfreunden. "Der Text hat doch einige Ungleichgewichte", urteilt Brasiliens einflussreicher WTO-Botschafter Luiz Felipe de Seixas Correa. Immerhin haben die ärmeren Staaten die Macht, die ganze Welthandelsrunde scheitern zu lassen.

Frankreich, auf der anderen Seite

Doch auch von Seiten der Industriestaaten kommt Kritik: Frankreich hat den Vorschlag der WTO zur Streichung aller Exportsubventionen im Agrarbereich rundheraus abgelehnt. Der Kompromiss sei "in der jetzigen Form inakzeptabel", sagte Präsident Jacques Chirac vor Beginn der WTO-Gespräche. Die Europäische Kommission müsse alles unternehmen, um den WTO-Text "substanziell ins Gleichgewicht zu bringen". Frankreich wolle die so genannte Doha-Welthandelsrunde zum Erfolg bringen. Eine Einigung könne es aber auf dieser Basis nicht geben, da der Vorschlag den Interessen der Europäischen Union schade, erklärte Chirac weiter. (wb)