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Ein großer Auftritt für ein kleines Metallkreuz

8. Juli 2009

Was in anderen Armeen Normalität, ist ein Novum in der Geschichte der Bundesrepublik. Denn mehr als 60 Jahre lang waren Tapferkeitsauszeichnungen für Soldaten in Deutschland Tabu.

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Bundeskanzlerin Merkel, Mitte, und Verteidigungsminister Jung, rechts, verleihen das 'Ehrenkreuz der Bundeswehr fuer Tapferkeit' an Hauptfeldwebel Henry Lukacz (Foto: AP)
Bild: AP

Auf der Tuba spiegelt sich das von verschiedenen Seiten einfallende Licht. Der grünliche Teppich dämpft die Schritte der Kanzlerin, als sie auf die vier Soldaten zugeht - die ersten, die das Ehrenkreuz für Tapferkeit erhalten.

Damals war es laut. Verletzte schrieen, das Fahrzeug der Bundeswehrpatrouille brannte nach dem Anschlag eines Selbstmordattentäters, Munition explodierte. Trotz der Gefahr halfen die vier Feldwebel, die in der Nähe waren, sofort den verletzten Soldaten und Kindern. Damals, vergangenen Oktober in der Nähe von Kundus in Afghanistan.

Nun schüttelt Angela Merkel ihnen und ihren Partnerinnen die Hand und setzt sich neben sie in die erste Reihe. Vor ihnen liegen in geöffneten Schatullen die vier Ehrenkreuze.

Premiere für einen Orden

Ehrenkreuz für Tapferkeit
Das Ehrenkreuz der Bundeswehr für Tapferkeit

Es ist vielleicht unvermeidlich angesichts der deutschen Geschichte, dass es auch Kritik an dem neuen Orden für Tapferkeit gegeben hat. Immerhin war die letzte Auszeichnung dieser Art das Eiserne Kreuz der Nazizeit. Doch außer einer Ähnlichkeit in der Form hat das goldene Ehrenkreuz mit dem Eichenlaub am Ordensband nicht viel damit zu tun. Soldaten im Auslandseinsatz hatten sich eine solche Auszeichnung gewünscht, der Petitionsausschuss des Bundestages und dann das ganze Parlament den Wunsch unterstützt.

Verteidigungsminister Franz Josef Jung, hat den Orden schließlich gestiftet und Bundespräsident Horst Köhler hat ihn genehmigt. An der Seite der Kanzlerin ist Jung nun ins Foyer des Berliner Kanzleramts gekommen.

Den Unterschied zu vergangenen Zeiten macht schon die Ordensverleihung selbst deutlich. Statt Marschmusik: Georg Friedrich Händels "The Rejoicing", vorgetragen vom Blechbläserquintett des Stabsmusikkorps der Bundeswehr. Statt "Still gestanden" und "Gewehr über" die Bitte von Verteidigungsminister Jung an den ersten der vier Soldaten, Hauptfeldwebe Jan Berges, vorzutreten.

Handschlag, Überreichung der Urkunde, dann lässt sich Bundeskanzlerin Merkel den ersten Orden reichen und man kann nur erahnen, dass sie ihn dem Soldaten anheftet. Ein Fotograf ruft Verteidigungsminister Jung zu, einen Schritt zurück zu treten, damit er etwas sehen kann.

Nach Hauptfeldwebel Alexander Dietzen und Hauptfeldwebel Henry Lukasz bekommt Oberfeldwebel Markus Geist das Ehrenkreuz für Tapferkeit an die Brusttasche geheftet und lächelt etwas verlegen, die Handflächen steif am Hosenbund, in die Kameras.

Würdigung für Soldaten und Familien

Bundeskanzlerin Merkel und Verteidigungsminister Jung mit den vier Ausgezeichneten (Foto: AP)
Mit dem neuen "Ehrenkreuz der Bundeswehr für Tapferkeit" wurden vier Soldaten ausgezeichnet.Bild: AP

"Ihr Einsatz verdient unser aller Dank und Anerkennung", hatte Angela Merkel zuvor in einer kurzen Ansprache gesagt. Das gelte für den Einsatz jedes einzelnen Soldaten, hatte sie hinzugefügt. Die vier Ausgezeichneten allerdings hätten "Tapferkeit über das Maß des Erwartbaren hinaus gezeigt".

Auch der Kanzlerin sind die Klagen von Soldaten zu Ohren gekommen, dass ihr gefährlicher Einsatz in Afghanistan und anderswo zuhause kaum gewürdigt wird. Der neue Orden soll daher nicht nur ein Zeichen für die Soldaten im Einsatz sein, sondern auch für die Menschen zuhause. "Wir verlangen den Soldaten und ihren Familien viel ab", sagte die Kanzlerin, bevor sie zur Ordensverleihung schritt.

Johann Sebastian Bachs "Jesus bleibet meine Freude" schließt den recht unspektakulären Vorgang noch festlich ab, bevor die Gäste - politische, militärische und andere Funktionsträger - langsam zu den Stehtischen im hinteren Teil des großen Foyers strömen. Die frischgebackenen Ordensträger und ihre Frauen müssen noch eine Weile Gratulanten an sich vorbeiziehen lassen, bevor auch sie sich ein Sekt- oder Orangensaftglas schnappen können.

Draußen vor dem Kanzleramt machen einige Fotografen noch schnell ein paar Bilder von einem Paar, das ein schwarzes Tuch hochhält mit der Aufschrift "Soldaten sind Mörder - keine Helden". Die beiden konnten die Ordensverleihung drinnen nicht miterleben, sonst wäre ihnen diese Verallgemeinerung vielleicht selbst etwas zu platt erschienen.

Autor: Peter Stützle

Redaktion: Hartmut Lüning