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Ehrensold für Wulff

5. März 2012

Ex-Bundespräsident Christian Wulff besteht trotz Kritik auf dem Ehrensold und den damit verbundenen Zusatzleistungen. Sind diese Ruhestandsbezüge noch zeitgemäß?

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Die Standarte des Bundespräsidenten spiegelt sich am Mittwoch (03.02.2010) in Neu Delhi in Indien in der Motorhaube des Mercedes-Pullmann. Foto: Wolfgang Kumm dpa
Fahne Standarte des BundespräsidentenBild: picture-alliance/dpa

Ehrensold ist die Bezeichnung für das Ruhegeld eines Bundespräsidenten. Der Begriff kommt aus dem Militär, das seinen hoch dekorierten Soldaten lebenslänglich einen Beitrag zusätzlich zu ihrer Altersvergütung zahlte. Als letzter Empfänger dieses militärischen Ehrensoldes gilt der inzwischen verstorbene Schriftsteller Ernst Jünger. Er hatte seinen Anspuch erworben, weil ihm im Ersten Weltkrieg der Orden "Pour le Mérite" verliehen worden war.

Einen Ehrensold erhalten in Deutschland mittlerweile nur noch Bundespräsidenten und kommunale Wahlbeamte im Bundesland Bayern. Er steht dort unter bestimmten Umständen Bürgermeistern, Landräten und Bezirkstagspräsidenten zu, allerdings nur bis zu einer Höhe von maximal 732 Euro im Monat. Der Ehrensold des Bundespräsidenten beträgt rund 200.000 Euro im Jahr.

Der preussische Orden Pour le Mérite mit Eichenlaub, informell der "Blaue Max" genannt
Auch die Träger des "Pour le Mérite" erhielten einen Ehrensold

Nicht alle haben ihn genommen

Die Zahlung eines Ehrensoldes an Christian Wulff ist deshalb umstritten, weil er wegen seines mutmaßlichen oder teilweise erwiesenen Fehlverhaltens als Politiker zurückgetreten war. War die Zahlung des Ehrensoldes für Wulff schon auf Kritik gestoßen, rufen die damit verbundenen Zusatzleistungen, die er jetzt ebenfalls in Anspruch nehmen will, noch mehr Widerspruch hervor. Zusätzlich zum Ehrensold hat ein Alt-Bundespräsident Anspruch auf ein Büro und einen Mitarbeiterstab sowie einen Dienstwagen mit Fahrer. Die Kosten dafür trägt auch der Steuerzahler, sie werden auf rund 280.000 Euro jährlich geschätzt.

Im Jahr 2012 leben neben Christian Wulff noch vier weitere Alt-Bundespräsidenten: Walter Scheel, Richard von Weizsäcker, Roman Herzog und der ebenfalls vor der Zeit aus dem Amt geschiedene Horst Köhler. Normalerweise wird nichts darüber bekannt, welche Leistungen und Altersbezüge ein Alt-Bundespräsident in Anspruch nimmt oder nicht. Lediglich von Wulffs direktem Amtsvorgänger Horst Köhler ist bekannt, dass er auf den Ehrensold verzichtet.

Bildkombo Noch lebende ehemalige Bundespräsidenten
Alt-Bundespräsidenten: Walter Scheel, Richard von Weizsäcker, Roman Herzog und Horst KöhlerBild: picture-alliance/dpa/schroewig/DW

Wenig Unterstützung und sehr viel Gegenwind

Der Regierende Bürgermeister von Berlin, Klaus Wowereit, verteidigt in der "Rhein-Zeitung" den Anspruch Wulffs auf den Ehrensold. Seiner Ansicht nach dürfe ein Alt-Bundespräsident nicht in die Lage kommen, eine Arbeit aus rein finanziellen Gründen annehmen zu müssen. Ein ausgeschiedener Bundespräsident würde in der Öffentlichkeit, so Wowereit, weiterhin als Repräsentant der Bundesrepublik wahrgenommen, daher müsse seine finanzielle Unabhängigkeit gewährleistet werden. Die Zahlung eines Ehrensolds halte er daher für "sachlich angemessen".

Der renommierte Staatsrechtler Hans Herbert von Arnim hält in der "Bild am Sonntag" dagegen, dass Christian Wulff "unehrenhaft" aus dem Amt geschieden sei und er daher "kaum mehr Repräsentationspflichten für Deutschland glaubwürdig" würde ausüben können. Die Grünen-Fraktionsvorsitzende Renate Künast sieht, so die Nachrichtenagentur AFP,  die Forderung Wulffs auf die Zusatzleistungen zum Ehrensold ebenfalls kritisch. Christian Wulff "beschädigt das Ansehen der Politik, wenn die Kluft zwischen seinem Handeln und dem Gerechtigkeitsempfinden immer weiter wächst."

Einer der drei Beschwerdeführer, Hans Herbert von Arnim, steht am Mittwoch (09.11.2011) in Karlsruhe im Bundesverfassungsgericht vor der Verhandlung über die Zulässigkeit der deutschen Fünf-Prozent-Klausel bei Europawahlen. Das Bundesverfassungsgericht hat die Fünf-Prozent-Klausel bei Europawahlen für verfassungswidrig erklärt. Foto: Uwe Anspach dpa/lsw
Hans Herbert von Arnim hät Wulff für "unehrenhaft ausgeschieden"Bild: picture-alliance/dpa

Junger Frührentner

Quer durch alle Parteien wird jetzt entweder die Abschaffung des Ehrensoldes gefordert oder die Notwendigkeit betont, das System der Altersversorgung für Präsidenten zu reformieren. Die Linkspartei regt an, Politiker und Staatsbedienstete in Zukunft in die Rentenkasse einzahlen zu lassen und ihre Altersbezüge danach zu berechnen. Linksparteichef Klaus Ernst wünscht sich in diesem Zusammenhang eine "Debatte über die Gerechtigkeitslücke in der deutschen Altersversorgung".

Der stellvertretende Vorsitzende der Bundstagsfraktion der SPD, Hubertus Heil, fordert die Einrichtung einer überparteilichen Reformkommission zur Neuregelung des Ehrensolds. Auch der CDU-Politiker Norbert Brackmann, Mitglied im Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages, möchte die gegenwärtige Regelung überprüfen. Der Ehrensold gehöre "grundsätzlich auf den Prüfstand" sagte er und regte an, die Altersversorgung eines Bundespräsidenten genauso wie bei Ministern und Abgeordneten erst nach dem 65. Lebensjahr auszuzahlen. Christian Wulff ist 52 Jahre alt.

ARCHIV - Bundespräsident Christian Wulff nimmt am Sonntag (22.01.2012) im Berliner Ensemble in Berlin an einem «Zeit»-Matinee zum Thema «Deutsche, ihre Identität und ihre Rolle in Europa» teil.Die Staatsanwaltschaft Hannover prüft den gemeinsamen Urlaub von Bundespräsident Christian Wulff mit dem Filmunternehmer David Groenewold im Herbst 2007 auf Sylt. Die Behörde habe davon Mitte Januar aus den Medien erfahren, sagte Oberstaatsanwalt Hans-Jürgen Lendeckel der Nachrichtenagentur dpa am Mittwoch in Hannover. Foto: Wolfgang Kumm dpa/lni (zu dpa 1152 vom 08.02.2012) +++(c) dpa - Bildfunk+++ Copyright: picture alliance / dpa
Christian Wulff: Ein 52-jähriger "Frührentner"Bild: picture-alliance/dpa

Ehrensold für einen "Gescheiterten"?

Der FDP-Politiker Jürgen Koppelin geht bei der Bewertung der Causa Wulff noch einen Schritt weiter und stellt die grundsätzliche Frage: "Brauchen wir überhaupt noch einen Bundespräsidenten?" Seiner Ansicht nach nähmen die übrigen Verfassungsorgane wie der Bundestagspräsident und das Bundesverfassungsgericht die staatsrechtlichen Aufgaben eines Bundespräsidenten ausreichend wahr.

Dass Christian Wulff den Ehrensold in voller Höhe für sich beansprucht, wird auch deshalb kritisch gesehen, weil er 2010 selbst gefordert hatte, den Ehrensold zu kürzen. Steffi Lemke, die Geschäftsführerin der Partei Die Grünen, sagte dazu, aus diesem Grund gäbe es "keinerlei Verständnis für jährlich knapp 200.000 Euro für einen gescheiterten Bundespräsidenten".

Autor: Dirk Kaufmann
Redaktion: Klaus Jansen