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Edition fünf

12. Dezember 2010

Der Name ist Programm. "Edition fünf" heißt der neue Verlag, der in jedem Herbst fünf Bücher herausbringen will. Bücher von Frauen, deren Texte zu Unrecht vergessen oder vom Buchmarkt verschwunden sind.

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Die ersten Bücher des Verlags edition fünf (Foto: edition fünf)
Die ersten Fünf ...

Wer heutzutage einen Verlag gründet, braucht Idealismus und Geld. Silke Weniger hat beides. Sie arbeitet seit über 20 Jahren in der Buchbranche, angefangen als Sekretärin während ihres Studiums in einer Literaturagentur, zählt sie inzwischen selbst zu den erfolgreichsten Agenten in Deutschland.

Bestseller finanzieren Lieblingstexte

Sie hat viel Geld mit Bestsellern verdient. "Da war es für mich ein Bedürfnis, dem etwas entgegenzusetzen", sagt sie. In ihrem Verlag edition fünf will sie nun ausschließlich Bücher von Frauen publizieren. Anregende, kritische, witzige und nachdenkliche Texte, die ihr selbst gefallen. "Schöne Bücher für kluge Frauen" - mit diesem Slogan wirbt der kleine Verlag.

Was an die Frauenbewegung der 1970er Jahre erinnert, die damals ähnliche Ideen vertreten hat, ist für Silke Weniger Neuland. Sie ist 1962 geboren und kennt die Frauenbewegung nur vom Hörensagen. "Ich fand die aber immer toll", sagt sie. Die Frauen hätten sie fasziniert, in erster Linie Lehrerinnen, aber auch Rockstars und Künstlerinnen. "Da war eine Lebendigkeit zu spüren, die wollte ich immer erreichen". Doch als sie erwachsen war, war die Bewegung schon wieder abgeflaut. Während sich viele junge Frauen heute von den Altfeministinnen von damals distanzieren, hat Silke Weniger ein ganz entspanntes Verhältnis zur ihnen. "Ich hatte keine feministische Mutter wie viele von denen, dafür bin ich dann wieder zu alt." So erklärt sie ihr positives Verhältnis zur feministischen Bewegung.

Drei Frauen - drei Generationen

Herausgeberinnen und Verlegerin der 'edition fünf' (von links): Karen Nölle, Christine Gräbe und Silke Weniger (Foto: Kathleen Bernsdorf)
Kluge Frauen: Karen Nölle, Christine Gräbe und Silke Weniger (von links)Bild: Kathleen Bernsdorf

Silke Weniger engagiert sich seit vielen Jahren bei den Bücherfrauen, dem Netzwerk von Frauen in der Buchbranche, dem Buchhändlerinnen, Übersetzerinnen und Agentinnen angehören. Dort hat sie die Literaturübersetzerin und Lektorin Karen Nölle kennen- und schätzen gelernt. Sie konnte sie als Herausgeberin gewinnen. Karen Nölle, Jahrgang 1950, bringt Frauenbewegungserfahrungen mit, aber Feministin nennt sie sich ungern. "Ich habe Schwierigkeiten mit allen Ismen", sagt sie. Sie ist eine hervorragende Kennerin der feministischen Literatur, besonders aus dem angelsächsischen Raum.

Die Idee, schöne Bücher für kluge Frauen zu machen, hat sie sofort begeistert, nur die Herausgabe allein übernehmen wollte sie nicht. "Das hätte zu sehr nach Tante Karens Bücherkiste ausgesehen", sagt sie. Ihre Mitherausgeberin Christine Gräbe ist 25 Jahre jünger und bringt andere Ideen in das Projekt ein - "ohne die Geschichte der Frauenbewegung auf dem Buckel zu haben". Drei Generationen sind nun an der edition fünf beteiligt. "Zwischen uns liegen jeweils zwölf Jahre", schmunzelt Karen Nölle.

Schmökern und reflektieren

Jeden Herbst sollen in Zukunft fünf Bücher erscheinen. Darunter immer ein Band mit Erzählungen, weil viele Frauen die Kurzform wählen und in dem Bereich Hervorragendes geleistet haben. Allen voran Alice Munro, eine der größten Erzählerinnen überhaupt. Sie ist deshalb auch mit einer Geschichte vertreten. Ferner soll immer ein Schmöker dabei sein, des weiteren ein eher reflektierendes Buch mit Lebenserinnerungen oder Überlegungen zum weiblichen Schreiben und schließlich eine Klassikerin.

Die fünf Bücher werden immer unter einem thematischen Schwerpunkt erscheinen und jedes Jahr eine andersfarbige Banderole bekommen. In diesem Herbst ist es das Thema Aufbruch, passend zum Aufbruch des Verlags, und die Banderole ist dementsprechend grün - wie der Frühling und die Hoffnung. Es sind alles Geschichten, in denen Frauen in ein neues Leben aufbrechen: Die Heldinnen des Glücks in den Erzählungen, Edna in dem Schmöker Das Erwachen, dem 1899 erschienenen Skandalroman von Kate Chopin, die Beat-Autorin und Jack Kerouac-Geliebte Joyce Johnson in Zaunköniginnen, Bele in Irmtraud Morgners Roman Hochzeit in Konstantinopel, der diesjährigen Klassikerin, und Sonja in Malin Schwerdtfegers hinreißend komischen Debut von 2001, Café Saratoga.

Der Aufbruch zum Erfolg

Präsentation des neuen Verlags im Hamburger Literaturhaus im Oktober 2010 (Foto: Antje Flemming/ Literaturhaus Hamburg)
Präsentation der edition fünf im Hamburger LiteraturhausBild: Antje Flemming

Kathleen Bernsdorf hat die Bücher gestaltet. Das frische, kräftige Rot des Leineneinbands kontrastiert aufs Feinste mit dem Lindgrün der Banderole, die jeweils mit einer kleinen Illustration versehen ist. Und wenn man sie aufklappt, die schönen Bücher, kann man auf die Innenseite der Banderole schreiben, für wen das Buch ein Geschenk ist und wer es geschenkt hat. Eine charmante Idee.

Aber sie sehen nicht nur hübsch aus, die fünf Bücher der edition fünf, man hält sie auch gern in der Hand. Und erschwinglich sind sie auch, sie kosten zwischen 14 und 16,50 Euro. Das wissen kluge Frauen zu schätzen. Die Resonanz auf den neuen Verlag war dementsprechend groß. Bestseller wird der Verlag von Silke Weniger sicher nicht hervorbringen, damit rechnet sie auch nicht. Sie will vergessene oder wenig beachtete Bücher von Frauen wieder neu ins Bewusstsein rücken. Mit dem Aufbruch ist ihr das wunderbar gelungen.


Autorin: Heide Soltau
Redaktion: Gabriela Schaaf