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EADS: Wohin fliegt der Riese?

Julia Mahncke11. Oktober 2012

Die Fusion mit BAE ist gescheitert. Engländer, Franzosen und Deutsche konnten sich nicht einigen. Der Rüstungs- und Luftfahrtkonzern EADS muss nach dem Stolpern über die Politik eine neue Zukunftsstrategie suchen.

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Montage eines Airbus A320 (Foto: dapd)
Bild: dapd

Kampfflugzeuge sind out, Passagiermaschinen sind in - zumindest auf dem europäischen Markt. Welcher der klammen Staaten möchte jetzt schon für die Posten Verteidigung und Militärgerätschaft große Summen ausgeben, wenn es überall heißt: sparen, sparen, sparen. Auch die deutsche Regierung scheint als EADS-Kunde - unter anderem kaufte man das Eurofighter-Waffensystem - vorerst keine neuen Großaufträge anzustreben.

Auf der Suche nach Wachstum für die Rüstungssparte hatte EADS unter anderem einen Blick auf den US-amerikanischen Markt geworfen. Dort ist der britische Kollege BAE erfolgreich und so wollte EADS, das im Jahr 2000 aus der Fusion der deutschen Daimler Chrysler Aerospace AG, der französischen Aérospatiale Matra und der spanischen CASA entstand, sich durch den Zusammenschluss mit BAE neue Kundschaft ins Haus holen. Hätte die angestrebte Fusion des deutsch-französischen Unternehmens mit der englischen Rüstungsfirma geklappt, wäre daraus der weltweit größte Konzern der Branche entstanden. Erst Mitte September wurden die Fusionspläne öffentlich - und nur wenige Wochen später sind diese schon wieder Vergangenheit.

Schriftzug von BAE Systems (Foto: BAE Systems)
Erfolgreich in den USA, erfolglos in Fusionsverhandlungen: BAEBild: picture-alliance/dpa

Deutsch-französisches Tauziehen

"Ich war nicht überrascht", sagt der Aktienanalyst und Branchenexperte Sebastian Hein. "Es hat sich bewahrheitet, dass die massiven Widerstände aus der Politik zu groß waren, um sie zu überwinden." Letztlich sei das Projekt zu ambitioniert gewesen. Dass die Politik einen so großen Einfluss auf ein Wirtschaftsunternehmen hat, bewertet er negativ.

Deutschland und Frankreich verfügen direkt und indirekt über je etwas mehr als 22 Prozent der EADS-Anteile. "Aus ökonomischer Sicht ist das natürlich abzulehnen", sagt auch Klaus-Heiner Röhl, Wirtschaftswissenschaftler am Institut der deutschen Wirtschaft (IW). "Die reine Lehre der Ökonomie würde sagen, der Staat soll sich da raushalten und es dem Markt überlassen." Dennoch sei die politische Einflussnahme in diesem Fall verständlich. Im Bereich der Rüstungsgüter sei beispielsweise der Staat der einzige Nachfrager.

In den Verhandlungen hat sich nun erneut gezeigt, wie sehr die jeweiligen Länder um Mitsprache kämpfen. "Die Luftfahrtbranche spiegelt die fehlende Einigkeit in vielen anderen Fragen wider", so Röhl. "Letztlich verfolgt doch jeder Staat seine eigenen Interessen. EADS ist einem dauernden Tauziehen zwischen Frankreich und Deutschland ausgesetzt."

EADS-Chef Tom Enders bei einer Sitzung in Amsterdam (Foto: Manuel Blondeau/AP/dapd)
Hat Deutschland es dem Deutschen verdorben? EADS-Chef Tom EndersBild: AP

Deutschland traut den Garantien nicht

Kritik üben einige Politiker nach der geplatzten Fusion insbesondere an Peter Hintze, dem Koordinator der deutschen Bundesregierung für Luft- und Raumfahrt. Er hatte die Haltung der deutschen Seite bei den Verhandlungen gegenüber der Zeitung "Bild" so verteidigt: "Es war die Pflicht der Bundesregierung, die deutschen Standortinteressen zu wahren. Da geht es um Schlüsseltechnologien und Arbeitsplätze."

Damit allerdings gegen eine Fusion zu argumentieren, hält IW-Ökonom Röhl für falsch: "Im Rahmen der Fusion wären EADS und BAE wohl bereit gewesen, auch Standortgarantien abzugeben. Ohne die Fusion sind die Standorte deutlich stärker gefährdet." Auf diese Garantien habe Deutschland allerdings nicht vertrauen wollen, vermutet die Nachrichtenagentur Reuters. Die Angst, dass im Konzern künftig Frankreich und England den Ton angeben, ließ den Deal vermutlich scheitern.

Riese EADS, Riese A380

Mit etwa 135.000 Mitarbeitern und einem Umsatz von 49,1 Milliarden Euro im vergangenen Jahr ist EADS einer der ganz Großen der Branche. Insbesondere die Sparte Airbus hat mit ihren Passagierflugzeugen Erfolg und kann dem US-amerikanischen Konkurrenten Boeing beispielsweise die größte Passagiermaschine, den A380, entgegensetzen. Die EADS-Rüstungssparte Cassidian hingegen ist das schwächste Glied, wenn man auf die langfristigen Wachstumspotenziale blickt.

Airbus vom Typ A380 der Fluggesellschaft Emirates (Foto: Philipp Guelland/dapd)
Wächst auch so: EADS hat seit Anfang des Jahres 5000 neue Mitarbeiter eingestelltBild: dapd

EADS-Chef Tom Enders hatte die Fusionspläne maßgeblich vorangetrieben und will nun insbesondere die Verteidigungsaktivitäten auf den Prüfstand stellen. "Ich bin bereit einzugestehen, dass ich mit so heftigem Widerstand gegen diesen Zusammenschluss nicht gerechnet habe, vor allem nicht aus Berlin", schrieb er in einem Brief an die Mitarbeiter.

Nun indischer statt US-Markt?

"Brasilien, Indien – das sind Länder, die sich mit steigendem Wohlstand stärker um Sicherheit Gedanken machen", sagt der Analyst des Bankhaus Lampe, Sebastian Hein. Die Sicherheitsbranche, beispielsweise die Grenzsicherung, sei attraktiv und wachstumsstark. Dort sieht er Möglichkeiten der Neuorientierung. Schon jetzt beliefert EADS auch die wachsenden Märkte: 29 Prozent des Umsatzes generiert der Konzern in Asien, 10 Prozent im Nahen Osten. Auch Lateinamerika bezeichnet das Unternehmen als "aussichtsreiche Region" mit "zahlreichen Möglichkeiten" für Vertrieb und Produktion.