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E-Mail an Ludwig XIV.

Andreas Becker18. Januar 2003

Ende 1999 fusionierten ein deutsches und ein französisches Unternehmen zu einem der größten Pharma-Konzerne der Welt: Aventis. Das war für die Mitarbeiter aus beiden Nationen auch eine kulturelle Herausforderung.

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Moderne PalästeBild: AP

Aller Anfang ist schwer. Aventis bildet da keine Ausnahme. Die Partner der Fusion, die deutsche Höchst AG und Rhone-Poulenc aus Frankreich, konnten auf eine jeweils über 100-jährige Firmengeschichte zurückblicken. Und noch immer erscheinen Zeitungsberichte, in denen Branchenbeobachter und Konzernmitarbeiter klagen, dass die Zusammenarbeit von Deutschen und Franzosen alles andere als reibungslos verlaufe. Führungsposten würden eher nach Pass als nach Qualifikation vergeben, bemängeln Kritiker. "Gar nicht wahr", sagen andere und preisen die Vorzüge von internationalen Teams.

Der Franzose Laurent Jacobs, Leiter der Klinischen Entwicklung bei Aventis Deutschland, glaubt, dass in der Medikamenten-Entwicklung heute nur noch grenzüberschreitend gearbeitet werden könne. Denn die Zeiten, in denen man ein Medikament nur in einem Land entwickeln konnte, seien vorbei. Zur Zeit werde die Entwicklung immer global durchgeführt - in den USA, in Europa, auch in Japan, um zu erreichen, dass man ein neues Medikament auch weltweit einführen könne. Schließlich müssen die lange Entwicklungszeit von bis zu zehn Jahren und die Entwicklungskosten von rund 800 Millionen Euro auch wieder eingespielt werden. Und das ist nur möglich, wenn ein Medikament auch weltweit verkauft werden kann.

Ein Bier hilft

Das Marketing läuft noch in jedem Land anders, zu groß sind die Unterschiede bei Werbung und Verkauf. Bei der Forschung dagegen ist das international vernetzte Arbeiten schon heute Realität. Der Biologe Andreas Batzer leitet ein Forschungsteam, dessen Mitglieder in drei Ländern arbeiten: in Deutschland, Frankreich und den USA. Häufiges Reisen gehört zu Batzers Alltag, der Rest muss durch Telefon- und Videokonferenzen oder durch E-Mails bewältigt werden. Dabei treten nationale Besonderheiten deutlich hervor.

Aventis Logo
Logo von Aventis

Mit einem Lächeln beschreibt Batzer seine Erfahrung: "In Frankreich habe ich manchmal das Gefühl, dass das noch so geht wie bei Ludwig XIV. Das war speziell am Anfang so, als mich die Leute dort noch nicht gekannt haben. Ich habe eine E-Mail geschickt und dann war erst einmal Funkstille. Und ich habe mir dann vorgestellt, wie meine E-Mail erst mal ganz hoch muss bis zum Patron, dem kleinen Ludwig XIV, dann wieder runter, und dann habe ich drei Tage später eine Antwort gekriegt."

Im Vergleich dazu seien die Hierarchien in Deutschland ziemlich flach und die Arbeit der Mitarbeiter selbständiger, so Batzer. Anders herum gelten die Deutschen als sehr planungsfixiert, die Franzosen dagegen als flexibler. Doch wie auch immer die Unterschiede, Andreas Batzer ist überzeugt, dass persönliche Kontakte das internationale Arbeiten erheblich erleichtern. Wenn man jemanden einmal gesehen und auch mal ein Bier miteinander getrunken habe, dann funktionieren E-Mail, Telefonate und auch Videokonferenzen besser.

Frankfurt ist wie Paris

Der persönliche Kontakt mit den weit entfernten Kollegen in den USA und Japan findet weniger häufig statt. Reisen zwischen Deutschland und Frankreich sind dagegen für viele bei Aventis völlig normal. So sehr, dass sich ein Arbeitstag in der Frankfurter Niederlassung kaum von einem Parisaufenthalt unterscheidet, sagt Jutta Reinhard-Rupp. Sie koordiniert Wissenschafts-Angelegenheiten und EU-Projekte in einem deutsch-französischen Team. Allein an der Sprache merke sie, dass sie in Paris sei, denn ein Büro und ein Labor sehe aus wie das andere.

Das Frankfurter und das Pariser Werk liegen jeweils in Industriegebieten abseits der Innenstädte. So scheint es, dass ein globales Unternehmen wie Aventis auch globalisierte Räume schafft, die sich, obwohl sie in verschiedenen Ländern liegen, immer mehr gleichen.

Europäische Gemeinsamkeiten

Die Mitarbeiter in der Produktion, jene also, die die Medikamente schließlich herstellen, sind von der Internationalisierung weit weniger betroffen als jene, die in der Forschung arbeiten. Hergestellt und abgepackt werden Tabletten und andere Mittel immer noch an einem Ort, danach in alle Welt verschickt. Hier findet man auch noch Mitarbeiter, die eine typische Firmenbiographie haben und 30 Jahre bei Höchst arbeiteten, bevor ihr Arbeitgeber zum multinationalen Aventis mutierte.

Die deutschen Manager und Forscher dagegen müssen bei ihren vielen Kontakten mit ihren französischen Kollegen so manche kulturelle Klippe umschiffen. Im übrigen, sagt Forschungsteamleiter Andreas Batzer, seien die Unterschiede zwischen Deutschen und Franzosen gar nicht so groß. Aber um das zu merken, sei man auf die amerikanischen Kollegen angewiesen. Denn sobald die Amerikaner beteiligt seien, verhielten sich die Mitarbeiter aus der Alten Welt als Europäer ähnlich, meint Andreas Batzer: "Da merkt man plötzlich, dass die Franzosen und die Deutschen extrem nahe zusammen sind."