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Düstere Machenschaften

Aletta André | Abhimanyu Kumar
27. September 2016

In Indien floriert ein Eulenhandel aus mystischen Gründen. Als Opfergaben sollen die Vögel ihren Käufern Glück bringen - oder Kontrahenten Pech. Das Geschäft findet im Verborgenen statt, denn Eulen stehen unter Schutz.

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Schwarzmarkt Eulen
Bild: Abrar Ahmed/TRAFFIC India

Gegenüber dem Roten Fort, gebaut im 17. Jahrhundert im alten Teil Delhis, befindet sich der berühmte Vogelmarkt. Die Menschen in der indischen Hauptstadt nennen den Platz Kabootar Bazaar, den Taubenmarkt.

Tauben verkaufen die wenigen kleinen Läden hier eigentlich nicht. Vielmehr sind exotische Vögel zu sehen, die oft in schmutzigen Käfigen mit Exkrementen und verrottenden Futterresten sitzen. Das hell leuchtende, gelbe und rote Federkleid der Tiere verschafft diesem wenig einladenden Ort eine seltsame Art von Lebendigkeit. 

Auf eine Eule in einem der Käfige werden Besucher allerdings kaum treffen. Die Shopbesitzer wissen sehr wohl, dass der Handel mit ihnen verboten ist. Jeder der 32 Eulenarten ist durch Indiens "Wildlife Protection Act" aus dem Jahr 1972 geschützt. Aber es gibt sie, erhältlich für jeden, der bereit ist einen bestimmten Preis zu zahlen.

Eulen sind nach wie vor die gefragtesten Wildvögel in Indien, auch, weil man ihnen besondere Kräfte nachsagt. Sie werden geopfert, weil Bittsteller hoffen, so finanzielle Sorgen loszuwerden. Oder, um einem Kontrahenten einen Fluch auf den Hals zu schicken. Körperteile der Vögel werden zu Amuletten verarbeitet und sollen gleichfalls Glück bringen.

Handel und Opferungen finden das ganze Jahr über statt. Ihren Höhepunkt finden sie aber beim Diwali-Fest der Hindus am 30. Oktober. Der Ansprung erklärt sich darin, dass Lakshmi, die Hindu-Göttin für Wohlstand, der dieser Tag gewidmet ist, untrennbar mit dem Vogel verbunden ist. Wer also sein Unglück in Glück wenden will, findet hier den vermeintlich perfekten Moment. 

Große Eulen, kleine Eulen

Anfangs haben unsere Recherchen sehr schnell in Sackgassen geführt. Wir sind als potentielle Käufer aufgetreten, die eine Eule für eine Opferung gesucht haben. Aber die Händler blieben abwehrend und vorsichtig. Hartnäckigkeit brachte uns allerdings zu einem jungen, gedrungenen Mann mit Dreitagebart, dem das Gesetz offenbar nicht ganz so wichtig war. 

Schwarzmarkt Delhi
Vögel auf dem Markt in Alt-DelhiBild: Aletta Andre

Er sagte, dass sehr wohl Eulen erhältlich wären - ein Eulenjunges für 8000 Rupien (etwa 100 Euro) oder ausgewachsene für 20.000 Rupien (etwa 260 Euro). Um eine große Eule zu bekommen, müssten wir allerdings einige Tage warten und die Hälfte des Geldes anzahlen. Die Eulen würden in der Regel außerhalb der Hauptstadt beschafft. “Kleine kann ich innerhalb eines Tages besorgen", sagte der junge Mann mit der Sicherheit eines erfahrenen Händlers. 

Treffen mit einem Schamanen

Ein erfolgreicher Handel schließt auch die Dienste eines professionellen Schamanen oder Medizinmanns mit ein, der das Opferritual durchführt. Der Händler hatte die Handynummer seines bevorzugten Schamanen in Griffweite in seinem Geschäft. 

Dieser Schamane, ein Mann mittleren Alters, trug Anzughosen und ein langärmliges Hemd. Seine Augen waren mit Kajal umrandet und die Zähne fleckig vom Betelsaft. Er erklärte uns, dass wir die große Eule wählen sollten. Je größer die Eule, sagte er, desto schneller würde der Wunsch von der Göttin erhört werden. Nägel und Augen der geopferten Eule würden zu Amuletten verarbeitet. 

Der Schamane, der vom Eulenhändler eine Provision bekommt, behauptete, schon für eine Vielzahl von Kunden aus den unterschiedlichsten Schichten gearbeitet zu haben. "Auch Politiker vor Wahlen tun das", sagte er.

Weitreichender Handel

Lakshmi
Lakshmi ist die hinduistische Göttin des Glücks und Wohlstandes. Die Eule ist ihr BegleittierBild: CC BY 3.0/Biswarup Ganguly

Fünf Minuten zu Fuß vom Vogelmarkt entfernt liegt der rotfarbene Shri Digambar Jain Tempel. Hier befindet sich das kleine "Charity Bird Hospital", ein Krankenhaus für Vögel. Der diensthabende Arzt sagte uns, dass Freiwillige drei bis vier Eulen pro Monat zu ihm bringen würden. Vermutungen darüber anstellen, wobei die Tiere verletzt wurden, wollte er nicht. Sie müssten Regierungsbehörden übergeben werden, nachdem sie versorgt worden sind. 

Das Konzept der Regierung sieht vor, die Eulen wieder in ihren natürlichen Lebensraum zu entlassen, wenn sie gesund sind und Anzeige im Fall eines Verbrechens eingereicht worden ist. Aber im "National Wildlife Crime Control Bureau" (WCCB) sind keine derartigen Anzeigen aktenkundig. Es könnte natürlich sein, dass die einzelnen staatlichen Strafverfolgungsbehörden schlicht keine Informationen weitergegeben haben, sagte uns der Kommissar der Agentur. Eulen hätten für sie allerdings auch keine Priorität, gab er zu.

"Sie fallen in Anhang 4 des Gesetzes, das heißt, dass sie keine vom Aussterben bedrohte Art sind." Der WCCB hält zwar die Polizei an, auf den Vogelmärkten um Diwali zu patrouillieren. Händler mit einer Eule zu erwischen, sei aber eine ziemliche Herausforderung, so der Kommissar, schließlich würden die Eulen nicht öffentlich gezeigt. Und ein Kauf würde bedeuten, im Voraus zahlen zu müssen. "Das ist eine Anstiftung zu einem Verbrechen, dagegen gibt es ethische Einwände."

Trotzdem gibt es Belege dafür, dass es den Handel mit Eulen überall in Indien gibt, sagt der Ornithologe Abrar Ahmed. Das war das Ergebnis einer Studie, die er 2010 mit den Organisationen TRAFFIC und "World Wildlife Fund" (India) durchgeführt hat. Zwanzig Märkte habe er während seiner Untersuchungen gefunden, mindestens 20.000 Vögel seien dort insgesamt verkauft worden, darunter auch Eulen. In den zwei Jahren, in denen er an der Studie gearbeitet hat, hätte er persönlich mehr als 1000 Eulen gesehen, die verkauft worden seien. Weil der Handel im Geheimen stattfindet, so Ahmed, sei es beinahe unmöglich an genaue Zahlen zu kommen. 

Aberglaube und schwarze Magie seien die Hauptgründe für den Handel, bestätigt Ahmed am  Telefon. Er finde überall und über Religionsschranken hinweg statt.
Das Ergebnis sei, dass die Zahl der Eulenarten, die in den indischen Wäldern leben, ganz sicher zurückgehen, so der Ornithologe Girish Jathar. Er arbeitet für die Wildtierforschungsorganisation "Bombay Natural History Society" und nennt den illegalen Handel als zentralen Grund, neben der Abholzung von Wäldern und der Umwandlung von Lebensräumen für Entwicklungsprojekte. 

Gerettet um zu sterben

Schwarzmarkt Eulen
Eulen auf dem bekannten Vogelmarkt in Lucknow, NordindienBild: Abrar Ahmed/TRAFFIC India

Viel sei nicht passiert, seit seine Forschungsergebnisse veröffentlicht wurden, sagt Ahmed. "Anfangs ging der Handel zurück, weil die Händler nach der Veröffentlichung Angst vor der Regierung bekommen haben." Aber sechs Jahre später ist alles wieder auf Anfang, weil zu wenig unternommen wurde, um den Übel bei seinen Wurzeln zu packen. 

"Flugblätter in den entsprechenden Sprachen sollten da verteilt werden, wo die Eulen gefangen werden", sagt Ahmed.

Laut seinem Bericht sind einige Stämme traditionell mit dem Eulenfang verbunden. Diese Praxis müsse schleunigst gestoppt werden. Denn selbst wenn Eulen später aus den Händlerkäfigen gerettet werden, gibt es keinen Plan, wie es mit ihnen weitergeht. Das bedeutet, dass die Tiere bei Tierärzten landen, die oft keine Ahnung und auch nicht das nötige Equipment hätten, um mit verletzten Eulen umzugehen. Außerdem würden Aktivisten, auch wenn sie es gut meinen, die Tiere oft in den falschen Lebensräumen aussetzen. "Sobald also eine Eule gefangen wird", sagt er, "ist sie so gut wie tot."