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Dynastisches Prinzip

20. Juni 2003

Das rechtsradikale Schreck-Gespenst Frankreichs hat Geburtstag: Jean-Marie Le Pen wird 75. An Rückzug denkt er noch nicht - aber er installiert seine Tochter in der Parteispitze.

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Demagoge, Millionär, rechtsaußen: Jean-Marie Le PenBild: AP

Sein größtes politisches Ziel hat Jean-Marie Le Pen bisher verpasst, ein Lebenstraum des französischen Rechtsaußen ging allerdings bereits in Erfüllung. Präsident der Republik wollte er im vergangenen Jahr werden, seinen Intimfeind Jacques Chirac also aus dem Felde schlagen. Das war zwar völlig unrealistisch. Die Tatsache aber, dass der rechtsextreme Bretone bis in die Stichwahl gegen den Amtsinhaber im Elysee-Palast kam, war politische Senation genug. Der kämpferische rechtsradikale Parteiführer, der mittlerweile 75 Jahre alt ist, setzt für die Zukunft seiner Front National nunmehr auf etwas gemäßigtere neue Kräfte - vor allem auf seine jüngste Tochter Marine.

Triumph und Niederlage

Keine Umfrage hatte den Polit-Veteran im vergangenen Jahr in der Stichwahl gesehen. Und doch hoben ihn die Protestwähler in der ersten Runde über Lionel Jospin, den sozialistischen Herausforderer Chiracs. Wie nie zuvor mobilisierte der intelligente Jesuiten-Zögling damit die internationalen Medien - und den Widerstand gegen sich unter den Franzosen. Chirac erhielt in der Stichwahl gegen Le Pen am 5. Mai 82,21 Prozent der Stimmen, das beste Ergebnis in der Geschichte der fünften Republik (seit 1958). Und die Nationale Front (FN) fiel bei den anschließenden Parlamentswahlen auf 11,34 Prozent zurück. In der Nationalversammlung ist Le Pens Front nicht präsent.

Der in La Trinité-sur-Mer geborene Le Pen studierte Jura und politische Wissenschaften, kämpfte freiwillig in Indochina und wurde 1956 jüngster Abgeordneter der Nationalversammlung auf einer Liste unzufriedener Händler und Handwerker. Von 1958 bis 1962 errang er als unabhängiger Kandidat erneut ein Mandat im Pariser Parlament. Bereits in den 60er Jahren engagierte sich Le Pen in einem Nationalen Komitee. 1972 gründete er die ausländerfeindliche Nationale Front, die sich von einer Splitterpartei zu einem Faktor in der Politik Frankreichs mit einer Wählerschaft um etwa 15 Prozent mauserte.

"Lächelnde junge Frau"

Marine Le Pen
Marine Le PenBild: AP

Der Millionär und mehrfach wegen Volksverhetzung verurteilte Demagoge, der "Frankreich den Franzosen" forderte und den Holocaust als ein "Detail der Geschichte" abtat, schickt jetzt vor allem mit seiner jüngsten Tochter, der populären Marine, die junge Generation ins Rennen. "Wir brauchen in der französischen Politik den frischen Wind einer lächelnden jungen Frau", so erklärt der gewiefte Taktiker Marines (von ihm propagierte) Wahl zur Vizepräsidentin der Partei.

Zwar gibt es einige Abneigung in der Partei gegen die 34-jährige blonde Marine, die ihrem Vater wie aus dem Gesicht geschnitten ist. Und Le Pens designierter Nachfolger ist mit Generalsekretär Bruno Gollnisch sehr wohl ein Mann. Dass (wieder einmal) der Spaltpilz in seiner Bewegung umgeht oder er selbst sich aus der FN-Parteiführung zurückziehen würde, falls er bei den Regionalwahlen im Südosten 2004 scheitert, verneint Le Pen. Der optimistische Vollblutpolitiker hat bereits die französische Präsidentenwahl des Jahres 2007 anvisiert. (sam)