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DVD-Tipp: Blackout - Anatomie einer Leidenschaft

Jochen Kürten6. September 2015

Nicolas Roegs Wien-Thriller verstört auch nach 35 Jahren noch. Das Drama einer Beziehung wurde von dem britischen Regisseur in viele Einzelteile zerlegt. Dabei erzählt "Blackout" eine einfache Geschichte. Ein DVD-Tipp.

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Blackout - Anatomie einer Leidenschaft (Filmszene) (Foto: Koch Media)
Bild: koch media

Eine Frau wird mit Blaulicht in eine Klinik eingeliefert. Sie ist ins Koma gefallen. Ersten Ermittlungen zufolge handelt es sich um einen Selbstmordversuch. Ein Mann begleitet sie in die Klinik und stellt sich bei den Ärzten als "ein Freund" vor. Doch mit der Zeit wird klar, dass der Mann der Liebhaber der Frau war. Ein Kommissar nimmt Ermittlungen auf, vermutet, dass der Mann irgendetwas mit dem katastrophalen Zustand der Frau zu tun hat.

Nicolas Roeg: Weltberühmt durch einen Venedig-Thriller

Der britische Regisseur Nicolas Roeg ist heute vor allem aufgrund seines Thriller-Melodramas "Wenn die Gondeln Trauer tragen" weltberühmt. Filmkenner werden sich auch noch an das Science-Fiction-Opus "Der Mann, der vom Himmel fiel" mit David Bowie erinnern. Dagegen ist sein meisterlicher Thriller "Blackout - Anatomie einer Leidenschaft" (im Original: "Bad Timing") aus dem Jahre 1980 heute fast vergessen. Zu Unrecht.

Blackout - Anatomie einer Leidenschaft (Filmszene) (Foto: Koch Media)
Art Garfunkel in der Rolle des Psycoanalytikers Alex LindonBild: koch media

Jagger, Bowie & Garfunkel: Pop-Stars auf der Leinwand

Schon die Besetzung ist großartig. Nach Mick Jagger (in Roegs Debüt "Performance") und Bowie verpflichtete Roeg mit Art Garfunkel damals erneut einen Popstar für die Hauptrolle in einem seiner Film. Die 23jährige Theresa Russell und der ebenfalls blutjunge Harvey Keitel ergänzen die originelle Besetzungslise. Doch auch die konnte den Film zum Kinostart nicht retten. Sogar ein Manager des britischen Verleihers "The Rank Organisation" kanzelte den Film nach einer ersten Sichtung ab: "Ein kranker Film von kranken Menschen über kranke Menschen."

Blackout: Der Film entsteht erst im Kopf des Zuschauers

"Blackout" war, beurteilt man Roegs Werk heute im Rückblick, seiner Zeit weit voraus. Die elliptische Erzählstruktur, die Schnitttechnik und Montage, all das überforderte die damaligen Zuschauer offenbar. Roegs Film setzt sich im Kopf des Zuschauers erst im Ganzen zusammen. Roeg erzählt seine Geschichte nicht linear und chronologisch, sondern springt im Zeitablauf immer wieder vor und zurück, arbeitet mit sekundenkurzen Sequenzen, streut diese in den Handlungsverlauf ein.

Blackout - Anatomie einer Leidenschaft (Filmszene) (Foto: Koch Media)
Psychisch labil: Theresa Russell als Milena FlahertyBild: koch media

Nicolas Roegs filmisches Spiel mit der Wahrheit

Dem Zuschauer wird so zeitweilig der Boden unter den Füßen weggezogen. Was ist real, was fiktiv? Was spielt sich möglicherweise nur im Kopf der Protagonisten ab, was ist Phantasie, was (Film-)Realität? Endgültige Antworten gibt es bei Nicolas Roeg nicht.

Kinofilm im Zeichen Sigmund Freuds

Doch die Liebes-Geschichte, die uns der Brite erzählt, ist sehr wohl von dieser Welt. Art Garfunkel spielt den amerikanischen im Wien Sigmund Freuds praktizierenden Psychoanalytikers Alex Lindon mit sehr viel Zurückhaltung und Understatement. Der analytisch und intellektuell auftretende Wissenschaftler, der so viel über die menschliche Psyche weiß, muss erkennen, das Gefühl und Eros auch mit noch so viel gedanklichem Scharfsinn nicht zu beherrschen sind.

Blackout - Anatomie einer Leidenschaft (Filmszene) (Foto: Koch Media)
Amour Fou zweier unterschiedlicher CharaktereBild: koch media

Thriller: Form und Inhalt reiben sich

In der gleichwohl faszinierenden wie labilen Milena Flaherty (Theresa Russell) trifft er auf eine Frau, die das Gegenteil seiner eigenen Persönlichkeitsstruktur verkörpert: sie lebt in den Tag hinein, lässt sich treiben, ist emotional und spontan. Mag sein, dass Roeg (und sein Drehbuchautor Yale Udoff) hier gängige Rollenmuster aufgenommen haben, doch sind die Charaktere in "Blackout" durchweg glaubwürdig, die Handlungsstränge immer nachvollziehbar. Durch die verspielt-experimentelle Form wird die Amour Fou immer wieder hinterfragt. Das macht einen großen Reiz des Films aus, der ein Wiedersehen unbedingt wert ist.

Nicolas Roeg: Blackout - Anatomie einer Leidenschaft, GB 1980, 122 Minuten, mit Art Garfunkel, Theresa Russell, Harvey Keitel, Denholm Elliott u.a., als DVD und Blu-ray beim Anbieter "Koch Media" in der Reihe "Masterpeaces of Cinema" erschienen.