1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

"Rettung Schuldenschnitt"

Das Interview führte Ralf Bosen30. November 2012

Die neuen Milliardenhilfen geben Griechenland nach Meinung seines früheren Außenministers Dimitris Droutsas nur eine Atempause. Im DW-Interview fordert der EU-Parlamentarier einen Schuldenerlass für seine Heimat.

https://p.dw.com/p/16t8j
The new Foreign Minister Dimitris Droutsas , September 7, 2010. A new Cabinet arising from a sweeping reshuffle by Prime Minister, announced shortly after midnight, was sworn in at noon on 7 Sept. EPA/SIMELA PANTZARTZI
Dimitris DroutsasBild: picture-alliance/dpa

Deutsche Welle: Herr Droutsas, die internationalen Geldgeber haben sich vor wenigen Tagen auf die Auszahlung von knapp 44 Milliarden Euro für Griechenland geeinigt. Nun hat der Bundestag den neuen Milliarden-Hilfen zugestimmt. Wie groß ist Ihre Erleichterung?

Dimitris Droutsas: Ich bin sehr erleichtert. Griechenland hat diese Kredittranche dringend nötig, um den Bankrott abzuwenden und um Gehälter, Pensionen und so weiter zahlen zu können. Dem Land wird damit eine Atempause verschafft. Aber ich möchte auch betonen, dass diese Entscheidungen wieder nur Stückwerk sind und keine wirklich überzeugende, endgültige Lösung, die sowohl Griechenland als auch der Euro benötigen.

Was wäre denn aus Ihrer Sicht eine überzeugende und endgültige Lösung?

Ich weiß, dass dies insbesondere in der deutschen innenpolitischen Diskussion nicht gut ankommt. Aber die Wahrheit ist, dass der Schuldenstand Griechenlands besonders hoch ist. Und damit diese Auslandsverschuldung tragfähig wird, führt kein Weg an einem Schuldenerlass vorbei. Ich weiß, diese Diskussion wird in Deutschland sehr kontrovers geführt, aber wir müssen der Wahrheit ins Auge blicken. Nochmals, ein Schuldenerlass für Griechenland in der unmittelbaren Zukunft ist für mich persönlich der einzig gangbare Weg.

Die Griechen haben in den letzten Monaten einige Reformen in Gang gebracht und gezeigt, dass sie sich bewegen wollen. Nun gibt es aber deutsche Experten, denen die Maßnahmen nicht ausreichen. Der Chef des Münchner Ifo-Instituts, der Wirtschaftsforscher Hans-Werner Sinn, kritisiert, man habe es den Griechen immer leichter gemacht die Forderungen zu erfüllen, indem man die Hürden immer tiefer gelegt habe. Wie bewerten Sie diese Kritik?

Ich gehöre zu jenen, die immer offen Selbstkritik an den Missständen in meinem eigenen Land geübt haben. Und mir ist bewusst, dass wir viele Dinge in Griechenland anpacken müssen. Ich spreche immer davon, dass Griechenland tiefgreifende Strukturreformen nötig hat, damit die Sparmaßnahmen, diese bitteren Sparmaßnahmen greifen können. Strukturreformen, das ist das Zauberwort und dazu bedarf es Zeit. Die Kredittranche gibt Griechenland nun etwas Zeit. Ich hoffe sehr, und das ist auch ein Appell und eine Mahnung an meine eigenen Landsleute, dass die gewonnene Zeit wirklich dafür verwendet wird, um die notwendigen Strukturreformen durchzuführen.

Herr Droutsas, Sie haben einen Schuldenschnitt bereits thematisiert. Nun wird in Deutschland immer offener darüber gesprochen, dass die Steuerzahler für die Griechenlandrettung tief in die Tasche greifen müssen. Viele Menschen hierzulande befürchten, dass das Ganze ein Fass ohne Boden ist. Können Sie ihnen diese Angst nehmen?

Mir ist bewusst, dass es sehr schwierig ist, den deutschen Bürger davon zu überzeugen, dass es sich lohnt, in Griechenland zu investieren. Dazu sind leider die Meldungen und die Nachrichten in der Vergangenheit zu negativ gewesen. Allerdings glaube ich, dass Griechenland sehr großes Potenzial hat, wenn wir die entsprechenden Strukturreformen durchführen. Griechenland hat Potenzial, was seinen Tourismus anbelangt, was die so genannten erneuerbaren Energien betrifft. Griechenland ist gesegnet mit Sonne, mit Wasser, mit Wind. Das ist ein Bereich, der noch gar nicht ausgenützt wurde. Wir müssen nur die Kurve schaffen, die Strukturreformen durchführen, und dann kann man etwas optimistischer in die Zukunft blicken.

Sie haben im Prinzip das künftige Geschäftmodell Griechenlands skizziert, um wettbewerbsfähig zu werden, wenn ich Sie richtig verstanden habe?

Ganz genau! Wettbewerbsfähigkeit für das Land ist natürlich die große Herausforderung. Wir müssen ganz einfach aus dieser fünf Jahre andauernden Rezession herauskommen. Das ist auch das Grundübel, warum es immer schlimmer und schlimmer geworden ist. Nochmals, mit den notwendigen Strukturreformen wird man das in den Griff bekommen können. So dass die Zukunft hoffentlich doch rosiger erscheinen wird.

Herr Droutsas, das Image Deutschlands hat in Griechenland - gelinde gesagt - sehr gelitten. Glauben Sie, dass sich die bilateralen Beziehungen nach der Zustimmung des Bundestags auf dem Weg der Besserung befinden?

Die bilateralen Beziehungen zwischen Griechenland und Deutschland sind in Wahrheit viel besser, als dies den Anschein hat. Es gab immer einen sehr offenen Austausch zwischen unseren beiden Ländern, und die Stützung Deutschlands war immer gegeben. Ich möchte mich an dieser Stelle insbesondere bei der deutschen Bevölkerung sehr herzlich dafür bedanken. Allerdings ist es wahr, dass diese Situation auf beiden Seiten insbesondere durch die Boulevardpresse oder auch populistische Stimmen für eigene Zwecke ausgenutzt wurde. Es wurden Ressentiments geschaffen, es wurden wieder Bilder vom faulen Griechen und vom fleißigen Deutschen bemüht. Dies hat natürlich dazu beigetragen, dass es zu Unstimmigkeiten gekommen ist. Diese sollten wir hinten anstellen, und jeder sollte sich seiner Verantwortung bewusst sein.

Dimitris Droutsas ist Mitglied des EU-Parlaments und der sozialdemokratischen PASOK-Partei Griechenlands. Der 56-Jährige war von September 2010 bis zum Juni 2011 Außenminister seines Landes.