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Droht sich Israel zu isolieren?

17. März 2010

Nach der scharfen Kritik weltweit am Vorgehen Israels in der Siedlungspolitik, warnt Rainer Sollich in seinem Kommentar vor einer internationalen Isolation Israels.

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Ein ultraorthodoxer Jude in Ostjerusalem nahe der Siedlung Ramat Schlomo (Foto: AP)
Stein des Anstoßes: Die jüdische Siedlung Ramat SchlomoBild: AP

Die Liste der Kritiker ist lang und bemerkenswert. Nicht nur UN-Generalsekretär Ban Ki Moon und die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton fanden ungewöhnlich scharfe Worte gegen das israelische Wohnungsbau-Projekt in Ost-Jerusalem und verurteilten es als "illegal". Sogar westliche Spitzenpolitiker, die im arabischen Raum bislang eher als "pro-israelisch" wahrgenommen wurden, haben diesmal sehr deutlich Kritik geübt. Bundeskanzlerin Angela Merkel etwa sprach von einem "schweren Rückschlag". Und US-Außenministerin Hillary Clinton drückte ihre Frustration so unverblümt aus, dass zahlreiche Beobachter bereits von einer ernsthaften Krise in den Beziehungen beider Ländern sprechen.

Klare Protestsignale aus den USA

Schon die Symbolik war bezeichnend: Der amerikanische Vize-Präsident Joe Biden war regelrecht düpiert worden - weil Israels Ankündigung ausgerechnet zu einer Zeit kam, als er gerade auf Friedensmission in der Region weilte. Und nachdem die Palästinenser aus Protest gegen die israelischen Baupläne die geplanten indirekten Verhandlungen absagten, verschob Washington demonstrativ eine geplante Visite seines Nahost-Vermittlers George Mitchell. Wobei klar zu erkennen war, dass dieser Schritt der Obama-Administration ein Protestsignal an die Adresse Israels war. Und nicht etwa an die Palästinenser.

Tiefer Bruch der Beziehungen unwahrscheinlich

Dass diese Krise zu einem tieferen Bruch oder gar zu einem grundlegenden Wandel der amerikanischen Nahost-Politik führen könnte, ist allerdings höchst unwahrscheinlich. Beide Länder sind strategisch aufeinander angewiesen. Beide Länder empfinden eine vergleichbare Bedrohung durch Terror und radikalen Islamismus. Und weltanschaulich-kulturell gibt es eng miteinander verwandte Mentalitäten und eine auch emotional stark ausgeprägte Solidarität. Hillary Clinton hat dementsprechend bereits klargestellt, dass sie die "enge, unerschütterliche Verbindung" zwischen Amerikanern und Israelis keineswegs in Frage stellen möchte. Und auch an der Solidarität der deutschen Bundeskanzlerin mit dem Staat Israel muss gewiss nicht gezweifelt werden. Sie ist, allein schon aus historischen Gründen, Teil der deutschen Staatsräson.

Tatsachen geschaffen

Trotzdem muss Israel im eigenen Interesse darauf achten, sich nicht international zu isolieren. Es benötigt die volle Unterstützung seiner Partner für einen historischen Ausgleich mit den Palästinensern, um sich langfristig ein sichereres Umfeld zu schaffen. Dafür müssen schnellstmöglich wieder Friedensgespräche in Gang kommen. Und dafür dürfen nicht weiter vollendete Tatsachen geschaffen werden, die schon jetzt alle möglichen Einigungsperspektiven extrem erschweren. Vorgezogene Grenzziehungen und fortgesetzter Siedlungsbau sind nicht nur völkerrechtlich höchst problematisch. Sie versprechen angesichts fehlender Lebensperspektiven und des dadurch prächtig gedeihenden Extremismus auf palästinensischer Seite auch nur eine trügerische Sicherheit. Einen substantiellen Zugewinn an Sicherheit kann Israel nur dann für seine Bürger erreichen, wenn an seiner Seite ein lebensfähiger palästinensischer Staat entsteht.

Zugeständnisse notwendig

Das wäre auch ohne Siedlungspolitik schwer genug. Denn die fehlenden Friedensperspektiven sind keineswegs allein der israelischen Regierung anzulasten. Auch auf palästinensischer Seite fehlt Kompromissbereitschaft. Die herrschenden Fraktionen in Ramallah und Gaza sind miteinander verfeindet, radikale Positionen genießen eine erschreckend hohe Popularität. Letzten Endes müssen beide Seiten Zugeständnisse machen, zu denen sie und ihre Bevölkerungen bisher nicht bereit sind. Die internationale Gemeinschaft und vor allem die USA können in dieser verfahrenen Lage nur auf das Prinzip Hoffnung setzen - und auf beide Seiten konsequent den größtmöglichen Druck ausüben. Andernfalls dürfte der nächste bewaffnete Konflikt in der Region nur eine Frage der Zeit sein.

Kommentator: Rainer Sollich

Redaktion: Stephanie Gebert