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Droht ein Bürgerkrieg?

Bernd Johann5. Mai 2004

Die rohstoffreiche Region zwischen Kaspischem und Schwarzem Meer kommt nicht zur Ruhe. In Georgien droht ein neuer gewaltsamer Konflikt und Russland spielt darin ein entscheidende Rolle. Bernd Johann kommentiert.

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Erst 100 Tage ist der georgische Präsident Michail Saakaschwili im Amt. Und schon steht er in einer gefährlichen Kraftprobe mit der abtrünnigen Region Adscharien im Süden an der Grenze zur Türkei, die zu einem Krieg führen könnte. Friedlich haben Saakaschwili und seine Anhänger nach der "Rosenrevolution" die Macht in der Kaukasusrepublik übernommen. Einen politischen Neuanfang und wirtschaftliche Verbesserungen hat der Präsident den Menschen versprochen. Deshalb haben ihn die Georgier mit großer Mehrheit gewählt. Doch nun steht die Republik wieder am Rande einer gewaltsamen Auseinandersetzung, als hätte es dort in den letzten Jahren nicht schon genug Blutvergießen gegeben!

Georgiens Unruheprovinzen Abchasien, Südossetien und Adscharien verweigern Tiflis seit Jahren jegliche Gefolgschaft. Und sie tun dies mit Unterstützung aus Moskau, das die innere Instabilität in Georgien stets für sich zu nutzen wusste. Bundesaußenminister Joschka Fischer hat im April 2004 bei einem Besuch im südlichen Kaukasus eine Beilegung der Konflikte in der Region angemahnt. Auch in Georgien hat er dafür geworben. Vergeblich! Denn ein Konflikt eskaliert erneut: Aslan Abaschidse, der autoritäre Machthaber in Adscharien, lässt Brücken nach Georgien sprengen, hat den Ausnahmezustand verhängt, Schulen und Universitäten sind geschlossen, friedliche Demonstranten werden niedergeknüppelt.

Georgiens Präsident Saakaschwili hat ultimativ gefordert, Adscharien müsse seine Milizen entwaffnen und endlich Steuern an Tiflis abführen, andernfalls werde er die Absetzung Abaschidses durchsetzen. Folgt nach der "Rosenrevolution" nun ein Bürgerkrieg?

Nach den Kriegen der vergangenen Jahre wünschen sich die Menschen in Georgien nichts sehnlicher als Frieden, Stabilität und Wohlstand. Ein Waffengang würde alle Hoffnungen darauf wieder zerstören. Grund genug also für Besonnenheit.

Aslan Abaschidse jedoch steht mit dem Rücken zur Wand: Beugt er sich der Zentralregierung in Tiflis, dann droht seinem Regime das Aus. Und genau das macht die Lage in Georgien derzeit so gefährlich.

Entscheidend für die weitere Entwicklung ist die Politik Russlands. Abaschidse saß bislang fest im Sattel, weil Moskau auf seiner Seite stand. Doch sein Regime wankt, die Proteste der Bevölkerung zeigen das. Wird Russland sich diesmal heraushalten? In Adscharien sind noch russische Soldaten stationiert, deren Abzug - wie eigentlich vereinbart - Moskau hinauszögert.

Hinzu kommt: Georgien ist ein Transitland für Öl aus dem Kaspischen Becken. Im Hafen von Batumi wird Öl verladen. Hinzu kommen die Zoll-Einnahmen an der Grenze zur Türkei. Um die Einkünfte aus diesem Transithandel streiten Tiflis und Batumi. Und auch Russland profitiert, wenn Öl wegen Instabilität in Georgien über russische Häfen transportiert wird. Es sind also auch finanzielle Interessen im Spiel in dem Konflikt in der Kaukasusrepublik.

Tiflis und Batumi haben es in der Hand, ob der Konflikt weiter eskaliert. Aber ohne den guten Willen Moskaus bei der Suche nach einem Ausgleich wird es keine Lösung des Problems geben.