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Drei Schuss, zehn Rubel

Christian F. Trippe30. April 2002

Der Islamistenführer Chattab ist tot. Warum der gewaltsame Tod eines Erzfeindes für Russland zugleich ein Verlust ist - das erklärt DW-TV-Korrespondent Christian F. Trippe.

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Im Zentrum der Zielscheibe klebt ein kleiner Zettel. "Chattab" steht darauf in ungelenker Handschrift. Kinder schießen mit der Armbrust auf die Scheibe, drei Schuss zehn Rubel etwa 35 Cent). Vor Monaten schon hat der Schausteller im Vergnügungspark im Norden von Moskau seine Schiessbude mit dem "Chattab"-Ziel ausgerüstet.

Der Zettel muss jetzt wohl weg, denn Emir al-Chattab ist tot. Anhänger des Partisanenführers behaupten, Chattab sei vergiftet worden. Die Russen sagen, der wegen seiner Mordlust berüchtigte Chattab sei bei einer "Spezialoperation" der Sicherheitskräfte ums Leben gekommen, der militärische Sieg in Tschetschenien nun zum Greifen nah.

Eines ist sicher: Der gebürtige Jordanier Chattab war für die Kreml-Strategen der lebende Beweis, dass in Tschetschenien arabische Söldner mit El-Kaida-Kontakten Krieg führten. Die "Internationale des islamistischen Terrors" hatte im Kaukasus ein Gesicht. Mit Chattabs Tod aber ist das alles hinfällig. Und was wird, wenn die nächtlichen Feuerüberfälle der Rebellen auch jetzt nicht weniger werden? Wenn der Teufelskreis aus Sprengfallen und anschließenden "Säuberungsaktionen" nicht aufgebrochen werden kann? Wenn der Wiederaufbau des geschundenen Landes weiterhin nicht voran kommt? Wenn der Druck westlicher Staaten auf Moskau wieder zunimmt, die Lage der Menschenrechte im Nordkaukasus endlich zu verbessern?

Auch wenn es zynisch klingt: Die russische Militärführung verliert mit Chattabs Tod ein Stück Legitimation für ihr brutales Vorgehen in Tschetschenien. So gesehen - aber nur so! - ist der Tod des Guerillakämpfers ein Verlust - nicht nur für den Schausteller mit seiner Schießbude.