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Wahlen im Iran

11. Juni 2009

Je nach Wahlbeteiligung könnte bei der Präsidentschaftswahl im Iran ein Reformer das Rennen machen. Doch auch er wird keinen radikalen Wandel vollziehen, denn das letzte Wort hat der oberste religiöse Führer Khamenei.

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Wahlplakat von Mahdi Karrubi, reformorientierter Präsidentschaftskandidat (Foto: IRNA)
Am Freitag stimmen die Iraner über einen neuen Präsidenten abBild: IRNA

Die über acht Millionen Einwohner Teherans müssen sich in letzter Zeit mehr als sonst in Geduld üben: Fast täglich kommt es im Vorfeld der Präsidentschaftswahlen am 12. Juni 2009 zu Massen-Versammlungen und Feiern auf offener Straße, stundenlange Verspätungen sind an der Tagesordnung. Dass vor den Wahlen die sonst sehr strikten Regeln gelockert werden, merkte man auch im Wahlkampf, der offener und freier geführt wurde als in den vergangenen 30 Jahren des Gottesstaates.

Mir-Hussein Mussawi (l.) und Mahmud Ahmadinedschad (Foto: dpa)
Die beiden aussichtsreichsten Kandidaten: Mussawi und AhmadinedschadBild: picture alliance / landov/ dpa

So diskutieren erstmalig die Kandidaten unzensiert im Fernsehen und zum ersten Mal schaltet sich auch eine Frau aktiv ein, um ihren Mann zu unterstützen: Sahra Rahnaward ist angesehene Künstlerin und Politologin, sie war Leiterin einer Universität in Teheran und Beraterin des früheren Präsidenten Mohammed Chatami. In diesem Wahlkampf wirbt sie für ihren Mann, den ehemaligen Ministerpräsidenten, Mir Hossein Mussawi, der sich – nicht zuletzt deswegen - innerhalb weniger Wochen zu einem ernstzunehmenden Herausforderer für Amtsinhaber Mahmud Ahmadinedschad entwickelt hat. So ernst zu nehmen, dass Rahnaward zur Zielscheibe bitterer Attacken Ahmadineschads wurde: Der Präsident stellte die Glaubwürdigkeit ihrer akademischen Laufbahn in Frage und bezichtigte sie, von politischen Entgegenkommen profitiert zu haben. Rahnaward konterte selbstbewusst: Wenn Ahmadinedschad sich nicht entschuldige, dann werde sie Klage gegen ihn einreichen. Seine Worte beleidigten nicht nur sie, sondern die Frauen im Iran insgesamt, sagte sie.

Werden Städter und Jugendliche mobilisiert?

So viel Selbstbewusstsein dürfte sich am Wahltag bei denen auszahlen, die einst Chatami ins Amt gebracht hatten, dann aber von diesem enttäuscht wurden: Frauen und Jugendliche, vor allem in Teheran und anderen Städten. Sollten sie sich entschließen, in großer Zahl an den Wahlen teilzunehmen, dann könnte es für den Amtsinhaber eng werden und dann könnte dieser als erster nicht wiedergewählt werden.

Mir Hossein Mussawi ist mit seiner streitbaren Frau nicht der einzige, aber mit Abstand der wichtigste Herausforderer Ahmadinedschads. Zwar treten noch der erzkonservative frühere Chef der "Revolutionsgarden", Mohsen Resaei und der dem Reformlager zugerechnete ehemalige Parlamentspräsident, Mahdi Karrubi, bei der Wahl an, doch es gilt es als sicher, dass das Rennen zwischen Ahmadinedschad und Mussawi entschieden wird.

Kritik an Ahmadinedschad

So unterschiedlich die Herausforderer auch sein mögen, so einhellig ist doch auch ihre Kritik an Stil und Inhalt bestimmter Aspekte der Politik Ahmadinedschads: In erster Linie kritisieren sie ihn für die immer schlechter werdende Wirtschaftslage. Resaei warnt davor, dass der Präsident das Land in den Abgrund führen werde und Mussawi wirft ihm vor, den Iran mit seiner Außenpolitik in die Isolation getrieben und ihm damit geschadet zu haben. Allen gemeinsam ist der Vorwurf, Ahmadinedschad habe gezielt Wahlgeschenke verteilt, um seine Chancen zu verbessern: Vom Bau neuer Straßen in entlegenen Orten bis hin zur Verteilung kostenloser Kartoffeln – Geschenke aus dem Topf der Erdöl-Einnahmen, die doch allen zugute kommen sollten. Die Inflation steigt derweil ungebremst weiter an.

Anhängerin des Reformkandidaten Mussawi (Foto: AP)
Werden am Wahltag Frauen und Jugendliche mobilisiert?Bild: AP

Ahmadinedschad weist solche Vorwürfe zurück: Die Inflation sei unter seinen Vorgängern größer gewesen als jetzt, wichtige Politiker hätten sich durch Korruption bereichert und das Volk sei immer zu kurz gekommen. Dies habe sich erst jetzt geändert, unter seiner Präsidentschaft. Aber das Land sei mit so vielen Problemen konfrontiert, dass man diese unmöglich in vier Jahren alle lösen könne, so Ahmadinedschad. Und seine konfrontative Außenpolitik rechtfertigt er als Aufbegehren gegen die "Spielregeln der Großmächte": "Das hat uns Imam Khomeini gelehrt. Der Imam hat ihre Regeln nie akzeptiert und anders hätten wir auch keine Revolution durchführen können!"

Atomprogramm - kein Thema!

Das Thema, dass im iranischen Wahlkampf nicht zur Disposition – nicht einmal zur Diskussion – steht, ist die iranische Atompolitik: Hier sind sich weite Teile der Bevölkerung einig, dass der Iran ein Recht auf Atomforschung habe und das Ausland ihm dieses Recht abzusprechen versuche. Ebenso wenig steht die Haltung gegenüber Israel zur Debatte, wenngleich für Mussawi die harte antiisraelische Linie Ahmadinedschads und seine Holocaustleugnung mit verantwortlich ist für die Isolation des Iran.

Anhänger des Reformkandidaten Mahdi Karrubi (Foto: IRNA)
Anhänger des Reformkandidaten Mahdi KarrubiBild: Mehr

Letzteres habe Israel eher noch genützt, glaubt Mussawi, etwa nach dem Gazakrieg und der Anti-Rassismuskonferenz in Genf: Nach der israelischen Gazaoffensive seien die Europäer kurz davor gewesen, eine Resolution gegen Israel auszuarbeiten, "und wegen unserer Äußerungen und Fehler haben sich alle wieder hinter Israel gestellt", sagt er.

Das letzte Wort hat Khamenei

Wie die künftige Politik gegenüber den USA aussehen soll, ist zwar kein offenes Wahlkampf-Thema, diese Frage spielt aber im Hintergrund eine wichtige Rolle. Die Avancen von US-Präsident Barack Obama sind auch an Ahmadinedschad nicht spurlos vorbeigegangen, der erhoffte Dialog zwischen Teheran und Washington dürfte aber um einiges leichter fallen, wenn Mussawi gewählt werden sollte. Aber auch hier hat – wie schon beim Atomstreit - letztlich der "Oberste Führer", Ayatollah Ali Khamenei, das letzte Wort. Und der versucht – im Gegensatz zur Bevölkerung – die Normalisierung der Beziehungen so lange wie möglich zu verhindern.

So hat er bereits verkündet: "Der neue amerikanische Präsident hat vom ersten Moment an, als er sein Amt aufnahm und seine Rede hielt, den Iran und die Regierung der Islamischen Republik beleidigt!" Grund für seine Ablehnung dürfte vor allem die Furcht vor einer Amerikanisierung der iranischen Gesellschaft und einer Abkehr von den Idealen der Islamischen Revolution sein.

Aber so sehnsüchtig auch viele Iraner Richtung USA schielen: genau diese Gefahr dürfte gering sein: Dreißig Jahre Islamische Republik haben ihre Spuren hinterlassen und kaum jemand will an deren Grundprinzipien etwas ändern.

Autor: Peter Philipp
Redaktion: Ina Rottscheidt

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