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Die BRAVO wird 60

Silke Wünsch26. August 2016

1956 rieb sich das verstaubte Nachkriegsdeutschland die Augen: Mit der "Bravo" kam das erste Lifestyle-Magazin für junge Menschen. Bis heute spielt sich dort alles ab, was "wirklich" wichtig ist. Nur keine Politik.

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Bildkombo BRAVO 1956 und 2016 (Foto: DW/©Bauer Media Group/BRAVO)
Bild: Bauer Media Group/BRAVO

Im Rentenalter ist die "Bravo" schon. Aber die 60 Jahre sieht man ihr nicht an. Sie hält sich wacker in den Regalen der Zeitschriftenläden, hat sich äußerlich in den vergangenen Jahrzehnten kaum verändert. Innen drin auch nicht: Popstars, Schauspieler, Bands. Homestories, Klatsch und Tratsch, Interviews. Was von Anfang an eine große Rolle spielte: Der Ratgeber in Liebesfragen. Schon 1962 startete in der "Bravo" ein gewisser Dr. Christoph Vollmer seine "Reise in das Wunderland der Liebe".

1969 löste ihn "ein Mann von heute" - Dr. Jochen Sommer - ab. Hinter dem Pseudonym verbarg sich ein echter Psychotherapeut namens Martin Goldsteider, der später ein ganzes Team leitete, das bis heute Jugendlichen mit Ratschlägen zur Seite steht. Bei Fragen wie: "Warum bin ich immer in die falschen Jungs verliebt?" oder "Kann man ein Kondom zweimal benutzen?" oder "Wenn ich zum Frauenarzt gehe und er meine Geschlechtsteile sieht, wird er dann nicht sexuell erregt?"

Aufklärung durch die "Bravo"

Früher war die "Bravo" für die meisten Jugendlichen die einzige Quelle, die ihnen Informationen über das Tabuthema Sex gab. Für Eltern und Jugendliche äußerst praktisch - schließlich konnten auf diese Weise peinliche Gespräche oder verschämte Geschichten über Bienchen und Blümchen vermieden werden. Ganze Generationen wurden von der "Bravo" aufgeklärt.

Wie prüde Deutschland und seine Behörden in Zeiten der sexuellen Revolution noch waren, zeigt 1972 Dr. Sommers Erscheinen auf dem Index der Bundesprüfstelle für jugendgefährdete Schriften: Nachdem er Ratsuchenden geantwortet hatte, dass Selbstbefriedigung weder krebserregend noch verbrecherisch sei, erklärte man ihm von Amts wegen: "Die Geschlechtsreife allein berechtigt noch nicht zur Inbetriebnahme der Geschlechtsorgane."

Jugendmagazin "Bravo", Dr. Sommer (Foto: Tobias Hase dpa/lby)
Rosa und Hochglanz - heute sehen Dr. Sommer-Seiten so ausBild: picture alliance/dpa/T. Hase

Heute wissen Kinder und Jugendliche viel mehr, denn auch Pornoseiten im Netz sind für sie leicht zugänglich. Dennoch sind auch die coolsten Teenager oft noch verunsichert und suchen - manchmal auch anonym - Rat.

Goldstein ist 2012 im Alter von 85 Jahren gestorben, aber das Dr. Sommer-Team arbeitet weiter, in der Zeitschrift "Dr. Sommer", die Tipps für Jugendliche und Eltern gibt, und auf einem eigenen Youtube-Kanal. Bis heute landen laut Redaktion noch bis zu 300 Anfragen pro Woche im Postfach.

Ein Twitter-Kanal zum 60-jährigen

Jede Generation hatte ihre eigenen Stars. In den 50ern war es Schauspieler James Dean (der es damals 21 Mal auf die Titelseiten geschafft hat). In den 60ern die Beatles (mit 41 Covereinsätzen). Die 70er hatten die Bay City Rollers, Suzi Quatro und Sweet, in den 80ern war es Nena. Für die meisten Titelblätter sorgten in den 90ern die Boybands - die Backstreet Boys sind Rekordhalter mit 46 Covern. Diese und andere Zahlen finden sich auf dem eigens eingerichteten Twitter-Kanal @60JahreBRAVO

Heute sind Youtuber wie Dagi Bee oder die Lochis unter den bliebtesten Stars. Sie machen einen entscheidenden Unterschied zu Popstars und Schauspielern aus: Sie sind nah bei den Nutzern. Sie machen Quatsch, geben Tipps, sind selbst nicht perfekt. Bei Mädchen kommen Kanäle mit den besten Styling- und Schmink-Tipps an, Jungs mögen die Gamer. Klar für die Macher der "Bravo", dass auch diese Stars regelmäßig gefeatured werden.

Weitestgehend skandalfrei - und komplett politikfrei

Auch wenn die "Bravo" viel Klatsch und Sex lieferte - sie blieb bis auf die kleine Dr. Sommer-Geschichte im Jahr 1972 weitestgehend skandalfrei. Zu Anfang war sie vielen zu offenherzig - heute jedoch geht es fast in die andere Richtung: Oft wird die "Bravo" als konservativ kritisiert, die ein völlig rückständiges Frauenbild transportiert. Große Empörung letzes Jahr: In einem Online-Artikel mit dem Titel "So fällst du Jungs auf: 100 Tipps für eine Hammer-Ausstrahlung" waren Tipps zu lesen, die ein Mädchen eher zum devoten Häschen degradierten. Die Redaktion entschuldigte sich und löschte den Beitrag.

Elvis Presley liest eine Bravo (Foto: picture alliance)
Elvis liest eine "Bravo" - ob er einen Artikel über sich findet?Bild: picture alliance /

Politische Ereignisse abzubilden war nie die Absicht der "Bravo". Das Magazin wollte unterhalten und jungen Menschen die Infos über das liefern, was sie am meisten interessiert: ihre eigene Welt, aus Stars, Mode, Lifestyle.