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Dosvidanije Gerrchard?

Stephan Hille24. Mai 2005

Wladimir Putin muss um seinen Duz-Freund Gerhard fürchten. Das politische Erdbeben an Rhein und Spree hat auch die Politiker an der Moskva erschüttert. "Putin verliert einen Freund“, titelte die Nesavisimaja Gazeta.

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Stephan Hille

In Russland, wo man die Demokratie aus Gründen der um- und vorsichtigen Staatsräson nicht "pur“, sondern lieber mit dem Zusatz "gelenkt“ betreibt, dürften die meisten Politiker wohl nur wenig Verständnis für das Krisenmanagement des deutschen Bundeskanzlers haben. Denn wenn es in Russland zu Staatskrisen kommt, werden die Verantwortlichen selten in den eigenen Reihen gesucht. Kritik, Opposition und freche Medien bekämpft man hierzulande eher mit der "Diktatur der Gesetzes“ als mit Argumenten. Und was macht der deutsche Kanzler? Verliert die strategische wichtigste Landtagswahl und stellt als Konsequenz sein Amt als Regierungschef zur Disposition. Nein, das verstehen in Russland die Wenigsten.

"Muschik" und "lupenreiner Demokrat"

Obwohl, manche Russen bewundern sicher den Mut und auch den Schneid von Kanzler Schröder. Da steht der Gerhard mit dem Rücken zur Wand, und jetzt will er es wissen, wirft alles in die Waagschale. Von der Defensive in die Offensive, so etwas kommt natürlich an. Der Schröder, mag mancher Russe denken, ist doch ein echter Muschik, ein richtiger Kerl eben. Doch wird der Überraschungs-Coup dem Kanzler helfen? Unwahrscheinlich, sagen die internationalen Polittechnologen und Experten. Es sieht also nach einem Regierungswechsel in Deutschland aus.

Putin dürfte damit einen seiner wichtigsten Verbündeten in Europa verlieren. Erinnern wir uns an das Dreier-Bündnis Paris-Berlin-Moskau, das sich gegen den amerikanischen Krieg im Irak wandte. Eine solche Troika hätte Putin mit einer CDU geführten Bundesregierung wohl kaum schmieden können. Und dann die russische Innenpolitik: Ob Tschetschenien, die staatliche Zerschlagung von Yukos oder der fragwürdige Prozess gegen Michail Chodorkowski, nicht ein kritisches Wort zur Politik seines Duz-Freundes ließ sich Schröder entlocken. Ganz im Gegensteil: Für Schröder blieb Putin ein "lupenreiner Demokrat“.

"Schröder kaputt"

Und jetzt? "Schröder kaputt“, hat für Russland unangenehme Folgen. Zwar ist die Wahl natürlich noch längst nicht gelaufen, und der wahrscheinliche Sieg der höchstwahrscheinlichen Kanzlerkandidatin Angela Merkel bislang nur ein Szenario, dennoch werden sich die deutsch-russischen Beziehungen nach einem Regierungswechsel verändern. Zumindest ist fraglich, ob es unter einer Bundeskanzlerin Angela Merkel je wieder so herzliche Bilder zu sehen geben wird wie die Schröders und Putins beim gemeinsamen Pferdeschlittenfahren im winterlichen Russland oder einen Kosakenchor im Hannoverschen Kanzlergarten.

Politische Schlittenfahrt
Die Familien Putin und Schröder machen eine SchlittenfahrtBild: dpa

Aber vielleicht wird ja auch alles gut. Aus der Praxis wissen wir, dass in der Außenpolitik die Kontinuität herrscht. Auch eine mögliche künftige Bundeskanzlerin Angela Merkel, die in der DDR Russisch lernte, wird zu Russland gute Beziehungen suchen und finden. Der Kreml wird im Gegenzug Deutschland ganz sicher auch weiterhin mit Erdgas versorgen - und möglicherweise auch mit Kosakenchören ...