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Doping fürs Hirn

8. Dezember 2009

Der Leistungsdruck am Arbeitsplatz ist für viele stark gestiegen. In Deutschland nehmen deshalb etwa zwei Millionen Menschen aufputschende Medikamente. Das kann auf Dauer nach hinten losgehen und auch süchtig machen.

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Mann mit Schriftzug "Neuro-enhencement" auf der Stirn (Foto: DW-TV)
Ob jemand sein Hirn dopt, merkt man ihm erstmal nicht an.Bild: DW-TV

Die Medikamente für die geistige Optimierung sind längst auf dem Markt. Es sind Wirkstoffe, die eigentlich für Demenzkranke oder für Menschen mit Aufmerksamkeitsdefizit – Syndrom entwickelt wurden. Aber mittlerweile gibt es eine neue Interessentengruppe: die Gesunden. Ärzte bekommen viele Anfragen von Interessierten, die über die Medien auf diese Medikamente aufmerksam wurden und das eine oder andere gerne ausprobieren möchten um mehr im Beruf leisten zu können oder um in Prüfungen besser abzuschneiden.

Mann liegt auf Schreibtisch (Foto: DW-TV)
Geistig müde oder schlaff? -Die Pille fürs Büro soll sofort wirken und neue Kräfte wecken.Bild: DW-TV

"Neuro-Enhancement" nennt sich das Aufbau-Programm für "moderne Menschen". Immer mehr glauben, dass sie Energiekrisen und Erschöpfungszustände damit überwinden könnten. Zum Beispiel mit Anti-Schlaftabletten. Modafinil ist eigentlich ein Medikament für Menschen mit Schlafkrankheit. Es weckt aber auch Gesunde auf. Fit im Kopf trotz Schlafentzug – in Tests hat das funktioniert. Doch es ist noch unklar, was genau Modafinil im Gehirn bewirkt. Überhaupt gibt es über die Gefahren von Gehirndoping bis jetzt kaum Erkenntnisse, weil es auch noch keine Langzeitstudien gibt. Generell kann allerdings jedes wirksame Medikament und jede Substanz auch Nebenwirkungen haben.

Kampfflieger als Versuchskaninchen

Militärpilot (Foto: DW-TV)
Militärpiloten haben das Gehirdoping bereits erfolgreich getestet.Bild: DW-TV

Trotzdem interessiert sich zum Beispiel auch das Militär für Neuro-Enhancement und experimentiert unter anderem ebenfalls mit Modafinil. Kampfpiloten konnten damit in Versuchen sehr viel länger arbeiten. Allerdings zeigte sich, dass Urteilsvermögen und Konzentration irgendwann litten, wenn Müdigkeit und Erschöpfung künstlich unterdrückt wurden. Das Medikament Ritalin soll dagegen die Konzentration fördern. Es wird vor allem Kindern mit Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom verschrieben, aber auch gesunde Probanden fühlten sich nach der Einnahme aufmerksamer. Belegen ließ sich eine Leistungssteigerung jedoch nicht. Dann gibt es noch die Gruppe der Anti-Dementiva. Diese Medikamente sollen eigentlich dafür sorgen, dass alte, demente Menschen weniger vergessen. Gesunde spekulieren allerdings darauf, mithilfe dieser Pillen besser lernen zu können. Bei den meisten verursacht es aber erstmal nur Übelkeit und Brechreiz.

Bei Menschen, die ohnehin gut lernen, kann Doping sogar dazu führen, dass die Leistung sinkt. Der Hirnforscher Stefan Knecht hat beobachtet, dass wache Menschen, denen Wachheit steigernde Medikamente verabreicht wurden, schlechter gelernt haben. Bei einem weiteren Experiment hat er gesunde Probanden über mehrere Tage lang intensiv Vokabeln lernen lassen. Ein Teil von ihnen bekam dabei Tabletten, die das Belohnungszentrum im Gehirn anregen. Tatsächlich lernten die belohnungsmanipulierten Menschen besser als diejenigen, die nicht chemisch stimuliert wurden. Der Lerneffekt kann allerdings einen hohen Preis haben. Das Belohnungssystem trägt nämlich auch maßgeblich dazu bei, dass Süchte entstehen, deshalb würde Knecht dieses Mittel nicht an Gesunde verschreiben.

Ein bisschen Zuviel bewirkt das Gegenteil

Zwei Männer bei einer Präsentation (Foto: DW-TV)
Mit seiner völlig überdrehten Art kommt dieser gedopte Mann überhaupt nicht mehr an.Bild: DW-TV

Übrigens machen viele Dopingmittel für den Kopf nicht nur wach und aufmerksam, sondern auch selbstbewusst. Das kann dazu führen dass sich die Konsumenten überschätzen - beruflich, privat, geistig und körperlich. Wer ganz sicher gehen will, dass er fit und leistungsfähig bleibt, sollte statt Pillen einschmeißen lieber rechtzeitig eine Pause einlegen. Schlaf kostet nichts und hat garantiert keine Nebenwirkungen.

Autorin: Christine Buth

Redaktion: DW-TV/ Marlis Schaum