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Politik

Doktor Gauck auf Abschiedstour

26. Januar 2017

Große Ehre für Joachim Gauck: Der scheidende Bundespräsident ist jetzt Ehrendoktor der Pariser Sorbonne. In seiner Dankesrede stellte er Europa in den Mittelpunkt, für dessen Ideale es sich zu kämpfen lohne.

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Frankreich Universität Sorbonne in Paris | Ehrendoktorwürde für Bundespräsident Joachim Gauck
Bild: Getty Images/AFP/P. Lopez

Die Amtszeit von Joachim Gauck als Bundespräsident neigt sich dem Ende zu. Mitte März übergibt er an seinen Nachfolger. Deshalb ist der 77-Jährige jetzt nach Paris gereist, zum Abschiedsbesuch bei Deutschlands engstem Verbündeten Frankreich. Und es ist eine grandiose Abschiedsvorstellung, die ihm hier bereitet wird. Staatspräsident François Hollande hat Gauck bereits am Mittwoch getroffen. An diesem Donnerstag stehen hohe Ehrungen auf dem Programm. Die Erste: Die Universität Sorbonne in Paris hat den scheidenden Bundespräsidenten mit der Ehrendoktorwürde ausgezeichnet.

Frankreich Universität Sorbonne in Paris | Ehrendoktorwürde für Bundespräsident Joachim Gauck
Medaille des Sorbonne-Rektorates für Gauck: "Ehrung auch für Deutschland"Bild: picture-alliance/dpa/S. Stache

Universitätspräsident Barthélémy Jobert würdigte Gauck als einen "Verteidiger der Freiheit" und "Advokaten der Menschenrechte". Aber die Ehrung der Sorbonne gelte nicht nur ihm persönlich, "sondern auch dem Land." Jobert nannte Gauck "eine der Leitfiguren der friedlichen Revolution in der DDR". Er würdigte auch Gaucks Einsatz für die Aufarbeitung vergangener deutscher Verbrechen, etwa durch seinen Besuch in Oradour-sur-Glane, wo er 2013 an ein Massaker der Waffen-SS während des Zweiten Weltkriegs erinnerte. Sichtlich bewegt nannte Gauck die Auszeichnung durch die traditionsreiche Universität "einen Traum, den ich nie zu träumen gewagt hätte."

Kampf für Ideale

Der Bundespräsident hielt eine Dankesrede, in die er noch einmal vieles hineinpackte, was ihn in den vergangenen fünf Jahren beschäftigt hat: vor allem das Projekt Europa, das er heute vom Scheitern bedroht sieht. Gauck appelliert, gerade in Krisenzeiten für die bedrohten europäischen Ideale zu kämpfen. Die deutsch-französische Freundschaft und das europäische Einigungsprojekt seien kein Wunder gewesen, sondern das Ergebnis engagierter und nüchterner Arbeit. "Das war nicht von einer überirdischen Macht gnädig geschenkt worden, sondern das ließen Europäer in Wort und Tat Stück für Stück Wirklichkeit werden."

Universität Sorbonne in Paris
Sorbonne in Paris: Traditionsreiche UniversitätBild: Getty Images/AFP/L. Venance

Vor rund 600 Gästen im Großen Auditorium betonte Gauck, viele Menschen in Europa hätten derzeit das Gefühl, dass das für unwiderruflich gehaltene Versprechen von Freiheit und Solidarität, von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit "unter unseren Händen zu zerrinnen scheint". Europa habe in seiner Geschichte viel Schreckliches hervorgebracht und viel Schreckliches erlebt. "Alle denkbaren Grausamkeiten sind hier begangen worden", sagte er. "Es gab nie ein goldenes Zeitalter und es wird vermutlich auch nie eines geben. Es gibt nur den immer wieder neu zu beginnenden Kampf für Humanität, für Freiheit und Recht, für Frieden, Gerechtigkeit und Demokratie."

Klare Trennung von Kirche und Staat

Bundespräsident Joachim Gauck und Sorbonne-Chef Barthelemy Jobert
Bundespräsident Gauck und Sorbonne-Chef Jobert: "Verteidiger der Freiheit"Bild: picture-alliance/dpa/S. Stache

Mit Blick auf die europäische Geistesgeschichte sagte Gauck: "Religion braucht Kritik und Selbstkritik." Eine Religion, die sich Kritik verbiete, habe sich intellektuell erledigt. "Um sich dennoch zu behaupten, werden manche ihrer Anhänger gewalttätig. Im 12. nicht anders als im 21. Jahrhundert." Eine klare Trennung von Kirche und Staat gehöre wesentlich zur europäischen Identität, so der Bundespräsident, der früher in der DDR Pastor war.

Die zweite Ehrung für Gauck dann am Nachmittag, als er vor der exklusiven Académie Francaise spricht. Deren nur 40 Mitglieder werden die Unsterblichen genannt, ein ebenso traditionsreiches wie elitäres Gremium, das 1635 offiziell gegründet wurde. Die Akademie hat seit ihrem Bestehen bislang nur wenige Könige, Fürsten, Staats- und Regierungschefs empfangen.

Im Revolutionsjahr 1789 war zuletzt ein Staatsgast aus Deutschland hier, Prinz Heinrich von Preußen. Nun also Bundespräsident Gauck. Über den Begriff "Romantik" sollte er mit den Mitgliedern der Académie diskutieren, so hatten sie ihm es vorgegeben. Die Öffentlichkeit war bei diesem noblen Anlass ausgeschlossen.

AR/jj (dpa/kna/afp)