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Diskussionsspektakel ohne Widerhall

Miodrag Soric 12. April 2003

Seit Donnerstag (10.4.) findet erneut der von Kanzler Schröder und Präsident Putin initiierte Petersburger Dialog statt. Miodrag Soric analysiert, ob das deutsch-russische Gesprächsforum die Erwartungen erfüllt hat.

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Treffen sich zum wiederholten Mal in Sankt Petersburg: Schröder und PutinBild: AP

Eine Konferenz ist eine Sitzung, bei der viele hineingehen und wenig herauskommt. Dieser Kalauer eines deutschen Satirikers war zwar nicht direkt gemünzt auf eine dreitägige Veranstaltung, die sich Petersburger Dialog nennt und jetzt zum dritten Mal stattfindet. Doch wer den großen Aufwand für die Organisation dieser Konferenzen in Relation setzt zu ihren bescheidenen Ergebnissen, der übertüncht den dann aufkommenden Zynismus schon mal mit einem Kalauer.

Doch von Anfang an: Was ist der Petersburger Dialog? Alles begann vor über drei Jahren bei einem Treffen des russischen Präsidenten Wladimir Putin mit seinem deutschen Biographen Alexander Rahr. Beim gemeinsamen Abendessen im Kreml unterhielten sie sich über die deutsch-russischen Beziehungen und die Frage, wie man sie verbessern könne. Der Gast aus Deutschland meinte, dass es nicht genüge, wenn sich nur Präsidenten und Regierungsmitglieder beider Länder begegneten. Vielmehr gelte es ein Forum zu schaffen, in dem sich die Eliten beider Völker regelmäßig träfen. Putin gefiel diese Idee. Beim nächsten Gipfel mit Bundeskanzler Schröder erzählte er ihm davon. Auch der willigte ein. So entstand der Petersburger Dialog.

Gute Vorsätze

Eingeladen wurden jedes Mal rund 120 Teilnehmer, je zur Hälfte aus Russland und Deutschland. Die Veranstaltung ist gegliedert in sechs Gesprächskreise: von der Politik und Zivilgesellschaft über die Kooperation in Wirtschaft, Kultur, Wissenschaft und Jugendarbeit bis hin zur Zusammenarbeit im Medienbereich. Doch Aufbruchstimmung herrschte lediglich beim ersten Petersburger Dialog. Damals fühlten sich die Teilnehmer geschmeichelt, dass sie eingeladen wurden. Schließlich repräsentierten sie die Elite des jeweiligen Landes. Und wer zählt sich nicht gerne zur Elite? Die Teilnehmer damals hatten Großes vor. Am Ende blieb es aber bei guten Vorsätzen. Das hatte verschiedene Gründe.

Auch hier gilt: Aller Anfang ist schwer. Einen Dialog unter so vielen Teilnehmern so zu organisieren, dass dabei am Schluss konkrete Projekte herauskommen, ist nicht einfach. Hinzu kommt: Deutschland entsandte zum Petersburger Dialog viele Teilnehmer, die sich ehrenamtlich - etwa bei Nichtregierungsorganisationen - engagieren. Präsident Putin hingegen schickte Kreml-Funktionäre zu den Treffen. Diese vertraten natürlich die offizielle Linie bei Diskussionen zu umstrittenen Themen wie Tschetschenien-Krieg oder die Achtung der Pressefreiheit.

Unterschiedliche Diskussionsteilnehmer

Die unterschiedliche Besetzung der Gesprächskreise beim Petersburger Dialog erschwert die Aufgabe, die Zivilgesellschaften bei der Länder zusammenzubringen. Für beide Seiten gilt: Nicht immer diskutieren Menschen miteinander, die sich intensiv mit dem jeweils anderen Land beschäftigt haben oder die jeweils andere Sprache sprechen. Und bei den zurückliegenden Konferenzen begingen einige deutsche Teilnehmer am Ende regelmäßig den Fehler, in belehrendem Ton über den Aufbau einer Zivilgesellschaft in Russland zu sprechen. Kein Wunder, dass die Russen zwar höflich zuhörten, sich aber ihren Teil dachten und schon gar nicht auf die Argumente der Gegenseite eingingen.

In der Vergangenheit hatte der Petersburger Dialog keine gute Presse in Deutschland. Offensichtlich sind die Erwartungen zu hoch gewesen. Das zum einen. Zum anderen sind solche Begegnungen natürlich auch ein Jahrmarkt der Eitelkeiten. Das trifft besonders für die deutsche Seite zu. Die Ergebnisse des Petersburger Dialogs scheinen vielen Teilnehmern weniger wichtig als der Umstand, überall darauf hinweisen zu können, dabei gewesen zu sein.

Informelle Gespräche

Was also tun? Brauchen Deutsche und Russen diesen Petersburger Dialog überhaupt? Niemand wird gezwungen, dorthin zu gehen. Diejenigen die bislang dabei waren - und dazu gehöre auch ich - freuen sich auf das Wiedersehen mit den russischen Freunden. Ich bin dankbar dafür, dass es Menschen gibt, die die Mammut-Veranstaltung organisieren, dass es Stiftungen gibt, die die Reise von so vielen Teilnehmern finanzieren. Die wichtigsten Gespräche finden oft nicht in den offiziellen Kreisen statt, sondern am Rande auf den Fluren oder beim Abendempfang. Der Dialog ist übrigens auch für die Deutsche Welle ein Anlass, sich parallel zur Veranstaltung mit den deutsch-russischen Beziehungen zu befassen.

Das Petersburger Diskussions-Spektakel findet kaum Widerhall - weder in der russischen noch in der deutschen Öffentlichkeit. Das aber konnte auch ernsthaft niemand erwarten. Denn den Alltag der Menschen bestimmen andere Probleme.