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Kommt drauf an

2. April 2009

Seit 2006 gibt es das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz, das Diskriminierung verbietet. Eine Studie hat nun ergeben, dass die Deutschen zwar Diskriminierung ablehnen, aber nicht für alle Benachteiligten gleichermaßen.

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Frau mit Kopftuch in Schwarz-Rot-Gold (Foto: AP)
Die meisten Deutschen lehnen Diskriminierung abBild: dpa

Ganz allgemein gefragt sind sich fast alle einig: Diskriminierung ist ungerecht. Das ist das Ergebnis einer Studie zu Diskriminierung und Antidiskriminierungspolitik, die Sinus Sociovision durchgeführt hat. Es gebe in Deutschland eine starke Ablehnung von Ungleichbehandlung, sagt Bodo Flaig, Geschäftsführer des Meinungsforschungsinstituts. Die Deutschen seien "dem Ideal von materieller Gerechtigkeit und Wohlfahrt für alle verpflichtet". 68 Prozent der Befragten glauben zudem, dass Gleichbehandlung in Zeiten der Globalisierung ein "wichtiger Wettbewerbsvorteil" sei.

Misstrauen gegenüber der Politik

Alte gebrechliche Frau (Foto: AP)
Alte gelten als schutzbedürftigBild: AP

Von Politik, Wirtschaft, Schulen und Kindergärten wird erwartet, dass sie gegen Diskriminierung vorgehen. Geht es aber um konkrete politische Maßnahmen, ändert sich das Bild. So wird beispielsweise das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) von einem Großteil der Bevölkerung abgelehnt. Ein Widerspruch, den auch Flaig nicht auflösen kann. "Man hat gelegentlich den Eindruck, dass das eigentliche Verhängnis ist, dass es die offizielle Politik ist, die sich dem angenommen hat", stellt er fest.

Überflüssig, zu bürokratisch, ineffektiv - so lauten die Hauptargumente gegen gesetzliche Regelungen zur Diskriminierung. Insbesondere im konservativen Milieu und in der bürgerlichen Mitte stößt das Gesetz auf starke Ablehnung. Skeptisch sind auch Gebildete und Gutsituierte. Sie glauben nicht, dass die Politik Einstellungen in der Gesellschaft entscheidend beeinflussen könne. Nur die jungen städtischen Milieus sehen Antidiskriminierungspolitik als Normalität einer demokratischen Gesellschaft, während die Unterschicht weitgehend gleichgültig ist. "Wir ziehen ganz klar die Konsequenz daraus, dass wir diese Studie nutzen müssen, um unsere Politik besser kommunizieren zu können", sagt Martina Köppen, die Leiterin der Antidiskriminierungsstelle des Bundes.

Unangemessene Vorteile

Drag-Queen (Foto: AP)
Homosexuelle und Migranten gelten als weniger schutzbedürftigBild: AP

Ein großer Teil der Befragten glaubt sogar, dass das Antidiskriminierungsgesetz bestimmten Gruppen unangemessene Vorteile verschafft. So sehr die Deutschen Diskriminierung im Allgemeinen ablehnen, so wenig ist für sie Diskriminierung gleich Diskriminierung. Behinderte, Frauen oder Alte beispielsweise gelten als unverschuldet diskriminiert. Werden sie durch Gesetze besonders geschützt, wird das weitgehend akzeptiert. Das gleiche gilt für Gruppen, die der eigenen Lebenswelt nahe stehen.

Schwer haben es dagegen alle, die von einem Großteil der Bevölkerung als "fern" empfunden werden, erläutert Flaig, "etwa Migranten mit anderer Hautfarbe, Andersgläubige, Homosexuelle". Einer der Kritikpunkte in der Bevölkerung am Gleichbehandlungsgesetz ist deshalb das, was die Politiker den "horizontalen Ansatz" nennen - nämlich dass es alle benachteiligten Gruppen gleichermaßen schützt.

Autor: Mathias Bölinger

Redaktion: Kay-Alexander Scholz