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Diktator und Kalenderheld

Ute Schaeffer5. Februar 2003

Kaum irgendwo regiert ein Diktator so extrem wie in Turkmenistan. Präsident Saparmurat Nijasow herrscht mit harter Hand – dass er Monate im Kalender nach sich selbst benannt hat, ist noch harmlos.

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Nijasow - Stalins selbstverliebter SchülerBild: AP

In den meisten Ländern der Welt ist im Augenblick Januar - nur in Turkmenistan nicht. Denn dort gilt die Zeitrechnung à la Saparmurat Nijasow. Vor kurzem hat der Präsident seinem Land einen neuen Kalender verordnet – und die Monatsnamen nehmen allesamt Bezug auf den Präsidenten. So kommt es, dass der Januar denselben Namen trägt, den Nijasow sich selbst verliehen hat: "Turkmenbaschi" - "Vater aller Turkmenen".

Nijasow ist überall

Nijasow ist ein gelehriger Schüler Stalins. Der gelernte Elektrotechniker war vor dem Zusammenbruch der Sowjetunion Parteichef der turkmenischen Kommunisten. Nach der Unabhängigkeit wurde die Kommunistische Partei in "Demokratische Partei" umgetauft - geändert hat das neue Etikett nichts. Der Personenkult des Präsidenten stellt selbst Stalin in den Schatten: Nijasows Geburtstag ist Nationalfeiertag, an allen Ecken und Enden trifft man auf sein Konterfei. Den Kalender, den offizielle Stellen in Turkmenistan ausländischen Gästen gerne schenken, schmückt in jedem Monat dasselbe Porträt Nijasows.

Die vom Präsidenten persönlich verfasste Erbauungslektüre "Ruchnama" gibt Einblick in die recht einfachen Einsichten Nijasows über seine Person, über Gebräuche und Geschichte seines Landes - bis hin zu seiner Ansicht über die Astrologie. Und erst vor kurzem verkündete der Präsident das "Jahr der Mutter des Präsidenten", die 1948 bei einem großen Erdbeben ums Leben kam.

Die Opposition protestiert

Was nach außen wie eine Karikatur wirkt, ist für die Turkmenen bittere Realität. Nijasow regiert mit Hilfe des allgegenwärtigen Polizei- und Geheimdienstapparats - selbstverliebt und rücksichtslos. Kürzlich verbannte der Diktator ethnische Usbeken von der usbekischen Grenzregion in das unwirtliche Wüstengebiet an der Grenze zu Kasachstan.

Die turkmenische Opposition macht Front gegen den rücksichtslosen Alleinherscher. Vor seiner Verhaftung Ende des vergangenen Jahres erklärte Präsidenten-Gegner Boris Schichmuradow gegenüber DW-RADIO, es gebe in Turkmenistan lediglich ein Marionetten-Parlament. "Nijasow vergrößert seine Vollmachten, zeichnet sich selbst oder seine Verwandten aus, benennt Städte, Straßen, Monate und Wochentage um und tötet auf diese Weise die Nation und die Gesellschaft." Arbeitslosigkeit, Armut, Drogensucht - dass Nijasow behaupte, sein Volk lebe "im goldenen Jahrhundert", sei eine unverschämte Lüge, schimpft Schichmuradow.

Rache nach dem Attentat

Die Wut auf Nijasow wächst. Ende November 2002 wurde ein Attentat auf ihn verübt - doch er blieb unverletzt. Danach geriet die gesamte Opposition in den Fokus von Polizei und Justiz. Das erste Opfer war Boris Schichmuradow. Er sitzt nun wegen "versuchten Staatstreichs" im Gefängnis - lebenslang, wenn es nach dem Willen des Obersten Gerichtes geht. Im turkmenischen Fernsehen wurde sein Geständnis verlesen, das mit großer Sicherheit durch Folter erzwungen wurde.

Daraufhin prangerte auch die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) die Methoden des turkmenischen Regimes an. "Ich habe nicht nur diese Verhaftungen kritisiert, sondern auch den Missbrauch der Medien für eine fast an Stalin erinnernde Propaganda", betonte der OSZE-Medienbeauftragte, Freimut Duve. "Der alte und neue Bündnispartner der USA, Turkmenistan, weiß jetzt, dass eine ganz starke Kritik an seiner feudalistischen Diktaturform besteht."