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Digital-Demo gegen George Bush

Oliver Heidrich20. November 2003

Anlässlich des Staatsbesuches von George W. Bush in London wird nicht nur auf der Straße demonstriert. Viele Protestaktionen suchen die virtuelle Öffentlichkeit.

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Das Logo der "Chasing Bush"-Kampagne

Aufmerksamen Beobachtern des politischen Geschehens wird es nicht entgangen sein, dass sich George W. Bush auch vor dem 11. September im Visier von Kritikern befand. Ausgerechnet auf die Achillesferse des amerikanischen Präsidenten zielten Spötter seinerzeit, indem sie genüsslich dessen sprachliche Ausrutscher sammelten. Publiziert wurde zu allem Unglück auch noch in dem Medium, mit dem sich Kontrahent Al Gore gerne in Verbindung bringt, dem Internet. Um die Blüten der rhetorischen Kompetenz des neuen Staatslenkers zu umschreiben, führte man den Begriff Bushism ein. Bald folgte ein Online-Spiel, bei dem geneigte Fans Bush eine frei zusammengestellte Rede in den Mund legen und abspielen konnten.

Dass die humoristischen Kommentare bei einem breiten Publikum offenbar großen Anklang fanden, konnte Protestgruppen mit ernsteren Anliegen kaum entgehen. Eine neue Dimension der politischen Demonstration hatte sich aufgetan. So fand vor Beginn des zweiten Irak-Krieges im Februar 2003 eine virtuelle Protestaktion statt, die große Aufmerksamkeit erregte. Eine Initiative namens "Win Without War" torpedierte mit Tausenden von E-Mails, Telefonaten und Faxnachrichten die Leitungen des Weißen Hauses. Neuartig an dieser Form des Protestes ist nicht nur, dass online Absprachen über Vorgehensweisen getroffen werden, sondern dass die eigentliche Aktion virtuell und nicht real durchgeführt wird.

Polit-Protest per Mausklick

Anti-Bush Demonstration in Berlin
Inzwischen finden politische Demonstrationen nicht nur auf der Straße statt.Bild: AP

Kein Wunder also, dass die Demonstrationen gegen den Staatsbesuch des amerikanischen Präsidenten in London derzeit auch im Internet stattfinden. In diesem Fall bietet sich der Protest per Mausklick besonders an, da die Delegation aus Übersee von einer ganzen Armee hermetisch abgeschirmt wird. Sogar die bei derartigen Anlässen zum Programm gehörende Kutschfahrt mit der Queen ist aus Sicherheitserwägungen gestrichen worden. Zwar dürfen die bis zu 100.000 Demonstranten entgegen ursprünglicher Pläne nun doch wieder durch Whitehall ziehen, werden dabei George Bush aber wohl kaum ihr Anliegen vortragen können.

Neben der für Donnerstag geplanten zentralen Kundgebung hat sich eine Reihe von Initiativen im Internet formiert. Unter anderem findet am Donnerstag, den 20.11.2003 ein virtueller Marsch auf die US-Botschaft in London statt. Nach dem Vorbild von "Win Without War" zielt die Aktion wiederum auf das Kommunikationsnetz. Eine weitere Online-Demonstration namens "Chasing Bush" hat es sich zur Aufgabe gemacht, den Unmut der britischen Bevölkerung über die unbeliebte Irak-Politik zu verdeutlichen. Wichtig sei es, den PR-Wert des Staatsbesuches für den US-Präsidenten zu senken, wie Rich Wild von der "Chasing Bush"-Kampagne betont. Per SMS und E-Mail stünden die Demonstranten auf der Internetseite untereinander in Kontakt und könnten so gegebenenfalls den Aufenthaltsort von Bush bekannt geben, damit der Protest den Adressaten auch erreiche.

Als klassische Form der Unterschriftensammlung verstehen sich verschiedene, gegen den Besuch gerichtete Online-Petitionen. Auf den an Premier Blair oder den Buckingham Palace gerichteten Listen protestieren zum Teil schon über 10.000 Unterzeichner gegen die expansive Politik des amtierenden amerikanischen Präsident und die befürchtete Beschädigung britischer Interessen.

Demokratie zum Runterladen

Unterdessen lässt sich George W. Bush auf geheimen Routen durch die in weiten Teilen abgesperrte Innenstadt eskortieren. Eine Ansprache vor dem Parlament erschien ihm zu riskant und als Interviewpartner stand er lediglich der politisch opportunen Sun zur Verfügung, einem Boulevardblatt aus dem Hause Murdoch. Dieses Auftreten würde jedem Potentaten einer Bananenrepublik zur Ehre gereichen, meinen Kritiker. Empfänglich für öffentliche Protestkundgebungen macht es den mächtigsten Mann der Welt eher weniger. Somit liegt der Vorteil virtueller politischer Demonstrationen auf der Hand. Man kann zwar die Londoner City abriegeln, im Internet helfen jedoch keine Betonbarrieren.