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Dieselgate: Volkswagen am Scheideweg

23. März 2016

Volkswagen hofft im Abgasskandal weiter auf eine außergerichtliche Einigung mit der US-Umweltbehörde EPA. Doch die scheint schwierig - ein für Donnerstag gesetztes gerichtliches Ultimatum kann VW nicht einhalten.

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Der Auspuff eines Autos neben einem VW-Schild Foto: Julian Stratenschulte/dpa
Bild: picture-alliance/dpa/J. Stratenschulte

Eigentlich hätten die VW-Unterhändler und die US-Umweltbehörde EPA bis Donnerstag einem Bezirksrichter erklären müssen, ob eine Einigung über die Reparatur und den Rückkauf manipulierter Dieselautos möglich ist. "Es geht darum, einen Weg für eine Lösung zu finden", sagte ein hochrangiger VW-Manager.

Doch dazu scheint man nun offenbar doch länger zu brauchen. Volkswagen-Anwalt Robert Giuffra bat kurz vor Ablauf des Ultimatums beim zuständigen Bezirksrichter in San Francisco um eine Fristverlängerung von 14 Tagen, damit der Konzern weiter am geforderten Kompromiss mit der US-Umweltbehörde arbeiten kann.

Bei einer Annäherung mit der EPA wären endlich die finanziellen Risiken abzusehen und VW könnte eine Entschädigung der Autobesitzer und Anleger einleiten. "Jede außergerichtliche Einigung ist billiger als ein langwieriger Prozess", sagt Helmut Becker, der das Institut für Wirtschaftsanalyse und Kommunikation (IWK) in München leitet.

Insidern zufolge strebt der Konzern in den USA eine Einigung an, bei der alle Fragen geklärt werden - von der Höhe der Strafzahlungen für die Anwendung der illegalen Software, über einen Reparaturplan oder einen Rückkauf der betroffenen rund 600.000 Dieselautos bis zu einer Kompensation für den jahrelangen überhöhten Stickstoffausstoß dieser Fahrzeuge. Denkbar sei in diesem Zusammenhang auch die Einrichtung von Umweltfonds, sagte eine Person mit Kenntnis der Verhandlungen.

Eine Einigung wäre billiger als ein Verfahren

Das amerikanische Justizministerium hat VW wegen Verstößen gegen US-Umweltrecht auf bis zu 46 Milliarden Dollar verklagt, über die die EPA nun mit VW verhandelt. Bei einer außergerichtlichen Einigung würde die Strafe vermutlich niedriger liegen. Daneben türmen sich Forderungen auf Schadensersatz in Milliardenhöhe auf. Am Dienstag verklagte nun auch der US-Bundesstaat Kentucky den Autobauer. In den Bundesstaaten New Jersey, Texas, West Virginia und New Mexico hat die Staatsanwaltschaft ebenfalls Anklage erhoben.

Volkswagen hatte bereits im Mai 2014 durch eine in den USA veröffentlichte Studie erste Hinweise auf Unregelmäßigkeiten bei Dieselautos erhalten. Doch erst knapp eineinhalb Jahre später - am 3. September 2015 - gab das Unternehmen hinter den Kulissen bei der EPA zu, eine verbotene Abschalteinrichtung verwendet zu haben. Diese erkennt, ob ein Fahrzeug auf dem Prüfstand steht und hält nur dann die Grenzwerte ein. Publik wurde der Skandal am 18. September durch eine Mitteilung der EPA, in der sie mögliche Strafen für VW auf bis zu 18 Milliarden Dollar bezifferte - eine Summe, die die Wolfsburger eigenen Angaben zufolge total überraschte. Bis dahin sei man von Strafen höchstens im niedrigen dreistelligen Bereich ausgegangen.

"VW hat die Situation völlig falsch eingeschätzt"

Die Wolfsburger hätten viel Zeit verstreichen lassen und die amerikanischen Behörden falsch eingeschätzt, glaubt IWK-Chef Becker. Die hätten einen Kniefall erwartet, während Wolfsburg seine Ingenieure geschickt habe, um das Problem zu möglichst geringen Kosten technisch zu beheben. "Eine Einigung wäre schon vor Monaten möglich gewesen, wenn VW das Vorgehen der US-Behörden besser verstanden hätte."

Environmental Protection Agency USA Foto: picture-alliance/dpa/J. Schmitt-Tegge
Mächtiger Gegenspieler: Die US-Umweltbehörde EPABild: picture-alliance/dpa/J. Schmitt-Tegge

Auch sein Kollege Stefan Bratzel vom Center of Automotive Management in Bergisch Gladbach kritisiert, VW habe zu lange geglaubt, die Probleme von Wolfsburg aus lösen zu können. "VW hat die Situation in Amerika völlig falsch eingeschätzt", sagt der Experte. "Man hat die Vorgeschichte dieses Betrugs und Vertuschungsversuche über eineinhalb Jahre ausgeklammert." Das dürfte bei der Strafzumessung eine wichtige Rolle spielen.

Kostenpunkt: nicht abzusehen

Auch wegen eines Verkaufsstopps für Diesel steht Volkswagen in den USA unter hohem Druck. Die Februar-Auslieferungen brachten ein Minus von 13 Prozent, für die ersten beiden Monate 2016 lag der Rückgang bei 14 Prozent. US-amerikanische VW-Händler forderten bei einem zweitägigen Spitzentreffen in Wolfsburg vergangene Wochen finanzielle Unterstützung durch den Konzern.

Nicht nur in den USA, sondern auch in anderen Ländern sieht sich das Unternehmen mit Zivilklagen von Autokäufern, Anlegern und Behörden in Milliardenhöhe konfrontiert. Wie viel der Skandal VW am Ende kosten wird, ist noch nicht abzusehen. Analysten gehen von 20 bis 30 Milliarden Euro aus, einige schätzen sogar 40 Milliarden.

hmf/hb (dpa, rtr)