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"Diese Debatte passt nicht zu diesem Land"

17. August 2010

Der Streit um die geplante Moschee nahe Ground Zero in New York eskaliert - und gerät zum Thema im Kongresswahlkampf. Uneins zeigen sich am Dienstag (17.08.2010) auch die Kommentare der internationalen Tageszeitungen:

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Symbolbild Presseschau, Zeitungen, Presse, Journalismus (Foto: DW)

Die in Madrid erscheinende linksliberale Zeitung "El País" fragt kritisch nach der Positionierung beziehungsweise Nicht-Positionierung von US-Präsident Obama:

"US-Präsident Barack Obama hatte den Moscheebau ursprünglich unterstützt, aber auf Druck der extremen Rechten relativierte er seine Äußerungen. Dies ist eine Niederlage des Rechtsstaats. Die laizistischen Demokratien dürfen nicht zu Handlagern des Christentums werden. Die Verantwortlichen für die Anschläge vom 11. September waren Mörder, die unter dem Kommando von Al-Kaida standen. Die Tatsache, dass sie sich auf den Islam beriefen, macht sie nicht zu Sprechern dieser Glaubensrichtung. Wenn die Gegner des Moscheebaus auf den 11. September verweisen, erwecken sie den Anschein, als repräsentiere Al-Kaida den Islam. Dies war dem Terrornetz mit seinen kriminellen Methoden nie gelungen. Obama rückte von seiner Haltung ab, weil er dem populistischen Druck nachgab, der in den USA und in Europa Besorgnis erregende Ausmaße angenommen hat."

Die niederländische Zeitung "de Volkskrant" dagegen meint, die Initiatoren des geplanten islamischen Gemeindezentrums sollten sich einen anderen Ort suchen:

"Ihr Vormann, der Imam Feisal Abdul Rauf, hat kurz nach den Anschlägen auf die Twin Towers und auch später unerfreuliche Äußerungen gemacht, über die sich viele ärgerten. Kein Wunder, dass Angehörige der Opfer ihn nicht als ausgewiesenen Unterstützer des Dialogs ansehen, den das islamische Zentrum sich auf die Fahnen geschrieben hat. Inzwischen ist eher von Polarisierung und Misstrauen die Rede, als von einer Atmosphäre des Dialogs. Daher sollte für das Projekt ein weniger symbolbeladener Ort in New York gesucht werden. Manchmal ist es für eine Religion besser, diskret Distanz zu halten. Das musste auch der Vatikan einst leidvoll erfahren durch die Kontroverse um Pläne für ein Kloster in Auschwitz."

Für unpassend hält dagegen die Wiener Zeitung "Die Presse" weniger den geplanten Bauort am Ground Zero, als die gesamte Debatte. Sie passe nicht zu dem traditionell toleranten Einwanderungsland USA:

"Die Diskussion in den USA über den Bau einer Moschee weniger als 200 Meter von dem Platz entfernt, an dem am 11. September 2001 Terroristen aus der arabischen Welt das World Trade Center zum Einsturz gebracht haben, verdient aus mehreren Gründen Aufmerksamkeit: einerseits, weil die Vereinigten Staaten bisher ein Hort der Toleranz und der Offenheit waren. Diese Debatte passt nicht zu dem Land. Andererseits, weil es US-Präsident Barack Obama in drei Monaten die Wahl kosten könnte. Nicht, weil er für den Bau eintritt, sondern, weil er es nicht bestimmt genug tut."

Für den Berliner "Tagesspiegel" lässt sich an der New Yorker Kontroverse Grundsätzliches festmachen:

"Warum trifft der Moscheeprotest auf so viele offene Ohren? Viele Bürger sind frustriert. Toleranz soll keine Einbahnstraße sein. In Amerika darf man Moscheen bauen, aber in der islamischen Welt keine Kirchen. Die USA und ihre westlichen Verbündeten opfern Soldatenleben und Steuermilliarden, um Muslimen gegen ihre radikalislamischen Unterdrücker zu helfen, aber ernten mehr Kritik als Dank. Der Moscheebau in New York ist dennoch richtig – aus Prinzip und in der Praxis. Es ist ein Weg, der Welt Amerikas Offenheit zu zeigen. Es kann freilich mehr als eine Generation dauern, ehe die islamische Welt ihre Vorurteile gegenüber dem Westen überwindet."

Auch für den Leitartikler der "New York Times" geht es um Grundsätzliches. Präsident Obama hätte gut daran getan, seine am Wochenende geäußerte Zustimmung zum Moschee-Bau nicht tags darauf zu relativieren:

"Die Initiatoren des Gemeindezentrums beabsichtigen, Muslime und Nichtmuslime zusammenzubringen. Neben dem Gebetsraum sind ein Schwimmbad und ein Zentrum für Darstellende Künste geplant. Auch sollen dem Gemeinde-Vorstand Mitglieder anderer Glaubensrichtungen angehören. (…) Zu viele republikanische Spitzenpolitiker sind dagegen entschlossen, bis [zu den Kongresswahlen im] November so viel falschen Streit und Ängste wie möglich zu schüren. Einige Demokraten werden einbrechen. Verstört mussten wir am Montag [16.08.2010] vernehmen, dass Harry Reid, der demokratische Mehrheitsführer im Senat, forderte, die Moschee solle woanders gebaut werden. Herr Obama und alle Menschen mit Gewissen sollten dagegen halten. Die Verteidigung des Rechts eines jeden Amerikaners auf Religionsausübung - und das Recht, Gebetsorte zu bauen - ist von grundlegender Bedeutung, wer wir sind."


Autor: Sven Töniges (mit dpa)

Redaktion: Oliver Pieper