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Düstere Zukunft für Korallenriffe

Interview: Carla Bleiker19. August 2015

Korallenriffe sind einer der artenreichsten Lebensräume der Erde. Aber sie werden noch in diesem Jahrhundert vollständig sterben, wenn wir nichts unternehmen, sagte Ökologe Peter Sale im DW-Interview.

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Korallenbleiche (Foto: picture-alliance/ Wildlife)
KorallenbleicheBild: picture-alliance/Wildlife

Deutsche Welle: Wie sieht die Zukunft der Korallenriffe aus - und was muss sich bei der UN-Klimakonferenz COP21 in Paris diesen Winter tun?

Peter Sale: Die Zukunft für Korallenriffe sieht sehr düster aus. Ich und andere Experten sagen das schon seit einiger Zeit. Selbst wenn die COP21 wahnsinnig erfolgreich ist und alle Ziele erreicht werden - ich meine vor allem einen Vertrag, auf den sich alle einigen können, der die Klimaerwärmung auf 2 Grad begrenzt - reicht das trotzdem nicht. Das ist immer noch zu viel Erwärmung für Korallenriffe. Sie werden eingehen und noch in diesem Jahrhundert vollständig verschwinden.

Das wirkliche Ziel sollte es sein, den Temperaturanstieg auf 1 Grad zu begrenzen, das ergäbe dann eine CO2-Konzentration in der Atmosphäre von 350 parts per million (ppm), also in etwa so, wie es auch in den 1980er Jahren war. Im Moment liegt die Konzentration über 400 ppm. Bei der COP in Kopenhagen wurde das Ziel aufgrund politischer Kompromisse von 1 Grad auf 2 Grad abgeschwächt. Aber ich sage den Leuten immer, dass die Natur keine Kompromisse eingeht. 2 Grad ist unverantwortlich. Ich glaube, das können wir besser.

Was würde denn mit den Korallenriffen passieren, wenn es beim 2-Grad-Ziel bleibt?

Zum einen verursacht CO2 in der Atmosphäre globale Erwärmung und zum anderen gelangt ein großer Teil vom CO2 auch in die Ozeane und führt dort zu Versäuerung.

Peter Sale in Prag (Foto: Adrienne Macartney)
Sale: "Wir müssen die Korallenriffe erhalten."Bild: Adrienne Macartney

Die Erwärmung wirkt sich auf die Korallen aus, weil sie sowieso schon sehr nahe an ihrem Temperaturmaximum leben. Ungewöhnlich warmes Wasser bedeutet für die Korallen eine Stresssituation. Sie stoßen all die symbiotischen Algen ab, also die kleinen Pflanzen, die in den Korallen leben. Dadurch werden die Korallen weiß - das nennt man Korallenbleiche. Wenn die Stresssituation für zwei oder drei Wochen anhält, sterben die Korallen. Die Sterberate schießt nach oben.

Korallenbleichen im großen Ausmaß gibt es seit 1982 - Korallen erbleichen auf mehreren Hektar über Nacht. Das haben wir auch gerade wieder im Indischen Ozean wegen des starken El Nino.

Die globale Erwärmung erhöht die Durchschnittstemperatur des Ozeans und extreme Wetterphänomene wie der El Nino erhitzen das Wasser an einem Ort nochmal zusätzlich. Wenn sich an diesem Ort ein Korallenriff befindet, kommt es zur Bleiche.

Korallenriff
So sieht ein gesundes Korallenriff ausBild: Holger Ernst

Und was bewirkt das CO2, das in die Ozeane gelangt?

Die Versäuerung wirkt sich auf die Fähigkeit der Korallen aus, ihr Skelett aus Kalziumkarbonat aufzubauen. Wenn man den pH-Wert der Ozeane nur ein wenig in Richtung sauer verändert, können die Organismen ihre Skelette nicht mehr so schnell aufbauen oder sie entwickeln sie schlechter oder dünner.

Die Versäuerung zwischen 1975 und 2015 hat bereits ausgereicht, die Kalzifizierungsrate von Korallen um 40 Prozent zu verlangsamen. Das verlangsamt auch die Wachstumsrate der Korallen allgemein. Die Balance zwischen Wachstum und Erosion im Korallenriff ist aus dem Gleichgewicht gebracht. Die Korallen können nicht so schnell nachwachsen, wie sie zerfallen.

Die Versäuerung der Ozeane durch CO2 hat also einen erheblichen Effekt auf das Wachstum eines Riffs. Und die Erwärmung durch das CO2 in der Atmosphäre führt zu einer hohen Sterblichkeitsrate. Deswegen gibt es immer weniger lebendige Korallen: weniger Wachstum und eine höhere Sterberate. Im Great Barrier Reef vor Australien sind seit den 1970ern etwa 50 Prozent der Korallen gestorben.

Was bedeutet das für andere Organismen?

Ein sterbendes Korallenriff hat eine weniger komplexe Oberfläche, auf der viel weniger Fische leben können. Viele Fischarten, die bisher auf Riffen gelebt haben, werden also einfach verschwinden. Das bedeutet auch weniger Beute für die Fischer, also weniger menschliche Nahrung.

Außerdem fällt der Schutz weg, den die Korallenriffe für die Küste bedeuten. Ein Riff verringert die Auswirkungen eines Sturmes, der von hoher See kommt. Die Kraft der Wellen, die an der Küste aufschlagen, ist geringer. Ohne Riffe wird es zu Erosion an der Küste kommen, ganze Dörfer werden ins Meer fallen. Menschen, die in der Nähe von Korallenriffen leben, sind in vielerlei Hinsicht auf sie angewiesen.

Wir sollten wirklich sorgsamer mit unseren Riffen umgehen. Wenn wir das anständig tun, mit einem Temperaturanstieg von nur 1 Grad, können wir den Wert der Riffe und ihre Artenvielfalt erhalten. Korallenriffe sind die artenreichsten Ökosysteme der Ozeane, wegen der vielen Pflanzen- und Tierarten, die dort leben. Einige sagen, sie seien so artenreich oder sogar artenreicher als die Regenwälder an Land. So etwas sollten wir nicht wegwerfen.

Peter Sale ist emeritierter Professor an der University of Windsor in Ontario, Kanada. Seine Fachgebiete sind unter anderem Korallenriffökologie und -management und tropisches Küstenmanagement. Diese Woche sprach er auf der Goldschmidt-Konferenz, einer internationalen Konferenz zur Geochemie über die Zukunft von Korallenriffen.