1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Die Zukunft der Sicherheit

25. März 2010

Die Diskussion um Nacktscanner und Vorratsdatenspeicherung hat das Interesse an den Themen Sicherheit und Freiheit neu befeuert. Auch die Wissenschaft nimmt sich dem Thema an. In Berlin sind neue Studiengänge geplant.

https://p.dw.com/p/MbvN
Überwachungskamera auf dem Bundestag (Foto: Ap)
Die Akzeptanz von staatlicher Überwachung steigtBild: AP

Biegsam und robust ist er: ein winziger Plastikchip. Auf ihm sind die Daten seines Besitzers hinterlegt. Der Chip soll den Personalausweis vor Fälschungen schützen, wie Professor Jörg Krüger erklärt. Der Ingenieur forscht an der Technischen Universität Berlin (TU Berlin) im Bereich der zivilen Sicherheit. "Aus dem Ausweis ist der Chip nicht herauszulösen. Und er ist nicht zu imitieren. Das erhöht die Sicherheit", sagt Krüger. Der Datenträger soll nicht nur beim Personalausweis zum Einsatz kommen, sondern auch zur zweifelsfreien Identifikation bei Geldgeschäften im Internet dienen.

Modethema Sicherheitsforschung

An der TU Berlin gibt es 18 Institute, die zur zivilen Sicherheit forschen, sich also damit befassen, wie sich komplex vernetzte Gesellschaften vor Bedrohungen wie Kriminalität, Umweltkatastrophen oder Terror schützen können. Es gibt Abteilungen, die nicht imitierbare Chips entwickeln, die fälschungssichere Verpackungen von Medikamenten herstellen oder zu den Gefahren beim SMS-Versand forschen. Unter dem Titel "Zukunftsfeld Zivile Sicherheitsforschung" werden die Bereiche jetzt stärker vernetzt. Entstehen soll ein neues Aushängeschild der Universität.

Die TU in Berlin ist dabei nur eine von vielen Hochschulen, die zur zivilen Sicherheit forscht. Allein in der Hauptstadtregion befassen sich 73 Einrichtungen mit dem Forschungsfeld. Sie alle profitieren von der räumlichen Nähe zur bundesdeutschen Politik, die seit dem Terroranschlag auf das World Trade Center 2001 ihren Bürgern mehr Sicherheit garantieren möchte und seither für Forschungsprojekte viel Geld locker macht. Die prall gefüllten Fördertöpfe haben dem Thema bundesweit zum Aufschwung verholfen. Von Kiel bis Kostanz sind Forschungseinrichtungen entstanden.

Prüfungsmaßstab Bürgerwille

Die Technische Universität Berlin (Foto: TU)
Die Technische Universität Berlin wagt sich weit vor in der SicherheitsforschungBild: TU-Pressestelle/Dahl

Die Debatten um Nacktscanner, Vorratsdatenspeicherung und brutale Gewalttaten an öffentlichen Orten haben das Interesse an der Sicherheitsforschung zusätzlich befeuert. Die Diskussion bewegt sich dabei stets zwischen den Polen Freiheit und Sicherheit. Die einen warnen vor unkontrollierbarer Bespitzelung; die anderen vor Gefahren wie Terrorismus und Internetkriminalität. Wie also kann die Privatsphäre geschützt bleiben, wenn die Sicherheit zunimmt? "Es kann keine technische Entwicklung geben, die entkoppelt ist von solchen Fragenstellungen", sagt Jörg Krüger und verweist auf das "Zentrum Technik und Gesellschaft", das dem neuen Forschungsfeld an der TU zugeordnet wurde. Hier erforschen unter der Leitung von Hans-Liudger Dienel Philosophen, Soziologen, Historiker und andere Geisteswissenschaftler das gesellschaftliche Echo zu neuer Sicherheitstechnik. So fanden sie zu ihrer Überraschung heraus, dass immer mehr Menschen staatliche Videoüberwachung begrüßen.

Auch neue Techniken stellt Dienels Team auf den Prüfstand. Wenn etwa die Ingenieure ihre fälschungssichere Chipkarte vorstellen, ermitteln die Geisteswissenschaftler die Akzeptanz der Entwicklung bei der Bevölkerung. Die Kontrolle über die Verbreitung persönlicher Daten sei einer Mehrheit nach wie vor wichtig, sagt Ingenieur Krüger. "Deshalb sollen auf dem Chip nur die wichtigsten Daten hinterlegt sein." Außerdem wurde ein Minibildschirm entwickelt, der sich auf dem Ausweis befindet. Er zeigt dem Nutzer an, welche Daten auf der Karte gespeichert sind. Auch das erhöht die Akzeptanz des Minidatenträgers.

Lehre bringt Technik und Soziologie zusammen

Die Kooperation von Gesellschaftswissenschaften und Technik ist eine Besonderheit der TU Berlin. "Hier haben wir die Nase vorn", sagt Dienel. Ein Grund dafür sei auch die Einrichtung neuer Studiengänge. Dazu gehört etwa der Bachelor- und Masterstudiengang "Soziologie technikwissenschaftlicher Ausrichtung", in dem die Studenten lernen, wie sie Folgen technischer Entwicklungen auf die Gesellschaft abschätzen können. Und das sei erst der Anfang, glaubt Hans-Liudger Dienel. Das Lehrangebot werde in den kommenden Jahren gerade in diesem Bereich zunehmen.

Autor: Martin Schlupp
Redaktion: Kay-Alexander Scholz