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Die Zeit wird knapp

24. November 2009

Im Interview mit DW-WORLD.DE spricht Stefan Rahmstorf vom Potsdam Institut für Klima-Folgen-Forschung über die Folgen des Klimawandels und darüber wie man ihn bekämpfen sollte.

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Klimaexperte Stefan Rahmstorf
Klimaexperte Stefan RahmstorfBild: Jens Thurau

Stefan Rahmstorf ist Leit-Autor des Weltklimaberichts, der vor zwei Jahren die Weltöffentlichkeit alarmierte und er ist Mitglied im bisher wissentschaftlichen Beirat "Globale Umweltveränderungen" in der Bundesregierung.

DW-WORLD.DE: Herr Rahmstorf, sie haben mit anderen führenden Weltklimaforschern eine Diagnose für Kopenhagen erstellt und darin die bisherigen Erkenntnisse aktualisiert. Was mussten sie den aktualisieren?

Stefan Rahmstorf: Zunächst sind die Erkenntnisse im letzten Klimabericht etwa drei Jahre alt, weil ja nur Fachpublikationen dort eingehen, die vorher schon publiziert worden waren. Pro Jahr erscheinen etwa 10.000 solche Fachpublikationen zum Thema Klima. Also gibt es in diesem Bereich eine Menge neue Forschung, die zu berücksichtigen war. Natürlich ändert sich nichts Grundlegendes, aber wir bemerken doch gerade auch an den neuen Messdaten, dass einige Aspekte des Verwandelns deutlich rascher voranschreiten, als das erwartet worden war. Ein klassisches Beispiel ist der Anstieg des Meeresspiegels, der in den letzten 15 Jahren etwa 80 Prozent schneller vonstatten geht, als es die Vorhersagen des Weltklimaberichts gesagt haben.

Wenn sich innerhalb von drei Jahren soviel tut, wie exakt lassen sich denn solche Vorhersagen überhaupt treffen?

Das hängt davon ab, was man vorhersagen möchte. Die globale Durchschnittstemperatur, das ist ja der wichtigste Indikator der globalen Erwärmung, lässt sich sehr exakt vorhersagen und da liegt die Entwicklung auch genau in dem Rahmen, der prognostiziert worden ist. Übrigens ist es ja so, dass diese Erderwärmung vorhergesagt worden ist, bevor man sie überhaupt nachweisen konnte. Sie ist schon in den 60er Jahren vorhergesagt worden und läuft seit Jahrzehnten genauso ab, wie es prognostiziert wurde. Andere Aspekte des Klimawandels, zum Beispiel der Schwund des Eises in der Arktis und in der Antarktis oder damit auch verbunden der Anstieg des Meeresspiegels sind nicht so leicht berechenbar, weil sie einfach physikalisch wesentlich komplexer sind.

Besteht überhaupt noch die Möglichkeit, diesen Klimawandel aufzuhalten und zumindest den Temperaturanstieg auf der Erde auf maximal zwei Grad zu begrenzen, wie es ja immer wieder als Ziel formuliert wird?

Wir hoffen, dass die Klimakonferenz in Kopenhagen der Klimagipfel dort eine verbindliche Festlegung der Staaten auf dieses Zwei-Grad-Limit bringen wird. Das heißt, der menschliche Einfluss auf das Weltklima soll zwei Grad nicht überschreiten. Das lässt sich noch machen, aber wir haben sehr, sehr wenig Zeit übrig, um dieses Ziel noch zu erreichen. Wir müssten in spätestens fünf bis zehn Jahren den Höhepunkt des Treibhausgasausstoßes erreichen und danach stark sinkende Treibhausgasemmessionen.

Was passiert, wenn dieses Zwei-Grad-Ziel nicht erreicht wird?

Zunächst werden die Folgen, die wir ja heute schon sehen, nach weniger als einem Grad Erwärmung noch deutlich gravierender werden, also zunehmende Dürren in Europa, wie wir das im Mittelmeerraum, in USA, in Kalifornien oder in Australien sehen. Verbunden auch mit stark wachsenden Waldbrandgefahren, Einbußen in der Landwirtschaft, was dann die Nahrungsversorgung der Weltbevölkerung erschwert. Und es besteht auch das Risiko, große Elemente des Klimasystems regelrecht zu destabilisieren, zum Beispiel den Grönländischen Eispanzer. Wenn das geschieht und dieser Eispanzer abschmilzt, würde das weltweit den Meeresspiegel um sieben Meter anheben. Das ist also etwas, was wir unbedingt verhindern sollten, indem wir die globale Erwärmung auf maximal zwei Grad begrenzen.

Die EU reklamiert ja für sich, dass sie im Klimaschutz sehr ambitioniert sei. Stimmt das? Und reichen die bereits eingeschlagenen Pfade der Europäischen Union?

Die EU ist sicher einer der Vorreiter und treibende Kraft in den globalen Klimaschutz-Bemühungen gewesen. Wir sind natürlich nicht mit allem zufrieden, was die EU gemacht hat. Es gibt immer noch viel zuviel Einfluss von Partikular-Interessen, Lobby-Gruppen, wie zum Beispiel der Automobil-Industrie, die dann die Klima-Ziele doch wieder verwässern. Aber die EU steht immerhin besser da, als die meisten anderen Länder.

Nun sind die meisten anderen Länder auch ärmer als die Staaten der Europäischen Union. Und es heißt ja immer wieder, Klimaschutz ist teuer. Stimmt dieses Argument?

Na ja, Klimaschutz ist teuer. Aber kein Klimaschutz ist noch viel teurer. Das zeigen die ökonomischen Studien ganz deutlich. Dass, wenn wir jetzt nicht handeln, ein Mehrfaches der Kosten auf uns zukommt. Die ärmeren Staaten haben in der Tat Probleme, sich die Klimaschutzmaßnahmen zu leisten. Da sind die Industrieländer in der Pflicht, und zwar nicht nur einfach, weil wir gute Menschen sind, sondern die Industriestaaten sind für drei Viertel der zusätzlichen Treibhausgase in der Atmosphäre verantwortlich, also weit überwiegend für das jetzt vorhandene Klima-Problem, unter dem aber gerade Menschen in den armen Ländern am stärksten leiden. Das ist einfach ein großes ethisches Problem, was uns in den reichen Ländern in die Pflicht nimmt, diesen ärmeren Ländern zu helfen. Einmal mit den Folgen des Klimawandels fertig zu werden, wie ja bereits überall zu beobachten sind und zum zweiten eben auch eine wirtschaftliche Entwicklung, die klimafreundlich ist, zu ermöglichen.

Was muss Europa also jetzt ihrer Meinung nach jetzt vor und für ein Abkommen in Kopenhagen tun?

Europa muss einmal die eigene Reduktionsverpflichtung, die es ja schon bereit ist, zu übernehmen, auch tatsächlich umsetzen. Denn häufig, gerade bei Entwicklungsländern, herrscht Skeptizismus oder ein gewisser Zynismus, dass aus den Industriestaaten viel versprochen wird, was dann am Ende gar nicht umgesetzt wird. Und zweitens sollte Europa klare Finanzzusagen machen für die Hilfe der Entwicklungsländer beim Klimawandel, damit hier wieder eine Dynamik für die Verhandlungen in Kopenhagen hinein kommt.

Herr Rahmstorf, sie beraten auch Politiker, unter anderem die deutsche Bundesregierung. Wie empfänglich sind die für ihre Fakten?

Ich glaube, dass gerade auch in der deutschen Politik durchaus Einigkeit herrscht über das, was ich auch hier gesagt habe. Und letztlich wird sich das in Kopenhagen in wenigen Wochen zeigen, wie stark sich zum Beispiel unsere Bundeskanzlerin dort engagiert, um noch zu einem solchen Klimaschutzabkommen erfolgreich zu gelangen.

Das Gespräch führte Tobias Oelmaier
Redaktion: Andreas Ziemons