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Deutliche Zustimmung

14. Juli 2009

Zum ersten Mal ist ein Osteuropäer zum Präsidenten des Europäischen Parlaments gewählt worden. Der Pole Jerzy Buzek steht für das Neue in der EU - und das ist gut so. Christoph Hasselbach kommentiert aus Brüssel.

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Bild: DW

Die Zeit ist reif für einen Osteuropäer an der Spitze des Europaparlaments. So denkt eine große Mehrheit der Abgeordneten: Gleich im ersten Wahlgang erhielt der Pole Jerzy Buzek am Dienstag (14.07.2009) während der konstituierenden Sitzung des Parlaments eine breite Mehrheit über alle Parteigrenzen hinweg. Das ist zwar auch das Ergebnis einer Absprache zwischen den beiden stärksten Fraktionen, den Christdemokraten und Sozialisten. Trotzdem fiel die Zustimmung für Buzek sehr deutlich aus.

Eine neue Perspektive

Zwei Männer mit weißen Haaren im Porträt (Foto: dpa)
Wechsel vom Westeuropäer zum OsteuropäerBild: picture-alliance/ dpa

Vielleicht kommt der Wechsel an der Spitze des Parlaments gerade zum richtigen Zeitpunkt. Zwar war der deutsche Christdemokrat Hans-Gert Pöttering kein schlechter Präsident, doch er verkörperte die alte EU, die westlich geprägte, kleinere, gemütliche EU. Jerzy Buzek steht nun für das Neue. Dieses Neue beunruhigt viele Menschen in den alten Mitgliedsländern, weil es die Union so unübersichtlich gemacht hat. Aber genau dieses Neue kann der EU auch neues Leben einhauchen.

Bei der Europawahl 2009 war die Beteiligung wieder einmal niedriger als bei der Wahl davor. Seit der ersten Direktwahl 1979 ist sie immer mehr gesunken. Im Durchschnitt bequemten sich deutlich weniger als die Hälfte der Wahlberechtigten zur Urne - und das, obwohl der Einfluss des Parlaments ständig wächst. In Jerzy Buzeks Heimatland Polen sowie in den meisten anderen neuen Mitgliedsländern im Osten war die Beteiligung sogar noch geringer. Aber Buzek weiß vielleicht besser als viele seiner Kollegen, warum das so ist. Und deshalb könnte er auch ein Teil der Lösung sein.

Sein Ziel: Das Parlament den Menschen näher bringen

Porträt von Christoph Hasselbach (Foto: DW)
Brüssel-Korrespondent Christoph HasselbachBild: DW

Der neue Parlamentspräsident Buzek sprach am Dienstag eindringlich von einer Vertrauenskrise des Parlaments. Es müsse wieder näher an die Menschen und ihre Probleme heran, forderte er. Doch viele von Buzeks Kollegen haben sich längst in einen Kokon eingehüllt. Als Europaabgeordneter lebt man in einer eigenen Welt, physisch und geistig fernab von den Menschen, deren Interessen man vertreten soll. Am Wahlkampf hat man gemerkt, dass sich viele auch gar keine Mühe mehr geben, die Menschen zu erreichen.

Damit will sich Jerzy Buzek nicht abfinden. Vielleicht kommt seine europapolitische Überzeugung vor allem deshalb so authentisch an, weil er das totalitäre System noch so gut kennt. Er weiß, was es gekostet hat, es zu überwinden.

Europa ist den Einsatz wert. Vielleicht braucht es Leute wie Buzek, damit ein Wort aus Sonntagsreden wieder zu einem Satz aus tiefster Überzeugung wird.


Autor: Christoph Hasselbach
Redaktion: Julia Kuckelkorn