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Die Würfel sind gefallen

26. November 2001

Der Grünen-Parteitag in Rostock hat einem Bundeswehreinsatz im Afghanistan-Konflikt mit überraschend großer Mehrheit zugestimmt. Damit kann die rot-grüne Koalition nach ihrer bislang schwersten Krise weiterregieren.

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Schweißtreibender Auftritt: Außenminister Joschka Fischer in RostockBild: AP

Mehr als zwei Drittel der rund 700 Delegierten stimmten nach zehnstündiger Auseinandersetzung für den außenpolitischen Kurs von Regierung und Bundestagsfraktion. Außenminister Joschka Fischer (Grüne) hatte zusammen mit der gesamten Grünen-Spitze für die Zustimmung gekämpft.

Grünen-Chef Fritz Kuhn wertete das Abstimmungsergebnis als "deutliches Signal nach vorn". Es gebe nun eine große Mehrheit für eine verantwortliche Position, mit der Fischer Politik gestalten könne. Fraktionschef Rezzo Schlauch sah die Partei gestärkt und den Kurs von Fischer bestätigt. "Die Koalition steht." Nach Ansicht der Grünen-Vorsitzenden Claudia Roth hat ihre Partei ein Bekenntnis zur Fortsetzung der Regierungspolitik abgelegt. An die Adresse der Unterlegenen appellierte sie, in der Partei zu bleiben.

Um die Verlierer einzubinden, wurden vor der endgültigen Abstimmung Änderungen am Leitantrag des Bundesvorstandes angefügt. In den Änderungen wird unter anderem kritisiert, dass in dem Krieg in Afghanistan viele Zivilisten von Bomben getroffen würden. Deutsche Soldaten sollten vor allem zu humanitären Aufgaben, dem Schutz von Transporten und der Ergreifung von Terroristen eingesetzt werden.

Leidenschaftliches Plädoyer

Fischer hatte in der Debatte mit ungewohnter Emotionalität für seine Politik und den Regierungskurs geworben: "Ich bitte um euer Vertrauen. Ich möchte, dass ihr meine Politik auf dem Parteitag unterstützt und dass ihr mich nicht allein lasst." Die Regierung müsse sich auf eine rot-grüne Mehrheit bis zur Bundestagswahl 2002 verlassen können. In einer mit minutenlangem Beifall quittierten Rede zeigte er seiner Partei auf, dass sie bei einem Nein auch den anschließenden Schritt tun müsse: "Okay, dann entscheidet, raus aus der Koalition und tragt die Konsequenzen. Aber, wovon ich nichts halte, ist zu sagen, wir bleiben drin in der Koalition, wollen diese Politik aber nicht. Denn das wird garantiert schief gehen."

Aber nicht alle Delegierte mochten den Spagat zwischen moralisch motivierter Ablehnung jeglicher militärischer Gewalt und dem pragmatisch begründeten Interesse am Erhalt der Regierung mitmachen. Entschiedene Gegner des Bundeswehreinsatzes wie der Alt-Linke Hans-Christian Ströbele warnten vor einer Ausweitung der internationalen Militäreinsätze. Und die Bundestagsabgeordnete Steffi Lemke erklärte: "Ich will nicht, dass die Voraussetzung für Regierungsfähigkeit Kriegsfähigkeit ist."

"Auch Deutschland trägt Verantwortung"

Für den Außenminister ist demgegenüber klar, daß sich die Situation für die Grünen als Regierungspartei grundsätzlich anders darstellt. Niemand wolle Krieg, so Fischer, aber der 11. September sei eine Kriegserklärung an die USA gewesen. Und aus der Verantwortung für die Konsequenzen könne sich Deutschland nicht entfernen. Eine Meinung, der sich letztlich mehr als zwei Drittel der Delegierten anschlossen.

Bundeskanzler Gerhard Schröder hatte vergangene Woche schon vom SPD-Parteitag in Nürnberg breite Rückendeckung für seinen Kurs einer Beteiligung der Bundeswehr am Anti-Terror-Krieg erhalten. Der Bundestag hatte der Bereitstellung von 3900 Soldaten am 16. November mit knapper rot- grüner Mehrheit zugestimmt.