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Die Wunde heilt nur langsam

Bernd Riegert11. September 2002

Ein Jahr nach dem Terroranschlag vom 11. September kämpfen die Menschen in New York immer noch mit den Folgen. Der Alltag hat die Metropole noch nicht wieder fest im Griff. Eine Reportage von Bernd Riegert.

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Baustelle Ground ZeroBild: AP
11. September 2002 - Jahrestag
Bild: AP

Vor einem Jahr sahen die Menschen ungläubig, um drei Minuten nach neun Uhr morgens, die zweite Verkehrsmaschine in das World Trade Center rasen. Umgeben von Feuer- und Rauchwolken stürzten die beiden Türme kurze Zeit später ein. Mehr als 2800 Menschen starben in diesem Inferno. Zurück blieben rund 1,8 Millionen Tonnen Trümmer - und eine klaffende Wunde in New York.

Heute vermittelt der Ort des Schreckens schon ein anderes Bild: Mit Presslufthämmern werden die letzten Betonfundamente der Zwillingstürme abgetragen. Unentwegt fahren schwere Laster in die sechs Stockwerke tiefe Baugrube. An der Ostseite ragt eine winzig erscheinende Betonröhre in die 65 Hektar große Grube. Dort fuhr die U-Bahn hindurch. Wer nicht weiß, was hier vor einem Jahr passiert ist, der erkennt vermutlich nur eine riesige Baustelle.

Ground Zero

Touristen starren in die Tiefe
Bild: DW-World

An diesem sonnigen Spätsommertag kommen wieder Hunderte Besucher an die Holzrampe am Südrand der Grube. Das selbe Wetter wie vor einem Jahr, glasklarer Himmel, Flugzeuge im Anflug auf die drei New Yorker Flughäfen. Auch Angehörige der 2823 Opfer, viele in Schwarz gekleidet, sind gekommen. Sie werden, so gut es geht, durch Maschendrahtzäune von Journalisten und neugierigen Touristen abgeschirmt. Jetzt lauern Dutzende von Kameras und Mikrofonen. Jane Beckett aus Colombus im US-Bundesstaat Missouri tun die Trauernden leid, denn viele haben nichts, was sie beerdigen könnten. Viele Opfer wurden einfach zu Staub zermalen oder zu Asche verbrannt. An den Bauzaun gelehnt, fühlt Jane Beckett Zorn. Sie sei einfach wütend - darüber, dass es passiert sei und dass sie keine Antwort habe. Ähnlich geht es Gerry Twitschel, der extra aus Kalifornien gekommen ist, weil er das Unfassbare nicht nur im Fernsehen, sondern mit eigenen Augen sehen wollte.

Die Zukunft im Blick

Die Lücke
Bild: DW-World

Rund um Ground Zero geht das Leben aber weiter. Der Verkehr tost wie eh und je. Die ersten Andenkenhändler haben ihre Stände aufgebaut. Das World Trade Center ist in kitschigen Kopien aus Glas und Plastik zu haben. Die meisten New Yorker sind dafür, dass die Lücke in der Skyline wieder mit Gebäuden gefüllt wird. Über deren Form und die Größe eines Mahnmals wird heftig gestritten. Das Grundstück ist schließlich ein wirtschaftliches Filetstück. Der Pachtvertrag für das Gelände ist 3,2 Milliarden Dollar wert. Kimberley De'Ora , eine Ärztin, die am 12. September Feuerwehrleute an Ground Zero versorgte, sagt, man dürfe aus Südmanhattan keinen Friedhof machen. Sie sagt: "Noch einmal 110 Stockwerke zu bauen, wäre vielleicht nicht angemessen - aber ein Gräberfeld auch nicht."