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Vorsorge für den Krisenfall

Heiner Kiesel24. August 2016

Bundesinnenminister Thomas de Maizière hatte einen verunglückten Start mit seinem Konzept für Katastrophenfälle. Jetzt stellte er es der Öffentlichkeit vor, in einem Berliner Wasserwerk.

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Absperrung vor einer Straße mit Hochwasser in Köln (Foto: picture-alliance/dpa/O. Berg)
Bild: picture-alliance/dpa/O. Berg

Er sieht nicht sehr glücklich aus, dabei hat er ein Papier dabei, das ihn als Bundesinnenminister ganz besonders freuen und beruhigen muss. Thomas de Maizière stellt die neue Konzeption Zivile Verteidigung (KZV) vor. Es sind 70 DIN-A-4-Seiten, mit denen die letzte derartige Konzeption von 1995 weiterentwickelt wird. Ein Konzept, in dem versucht wird, Lösungen zu bieten und anzuregen für alle schrecklichen Eventualitäten - Erdbeben, Überschwemmungen, Großbrände, Cyberattacken, Terror, flächendeckende Stromausfälle. Eines, das hilft, auf alles vorbereitet zu sein, was in großem Stil schief gehen kann in Deutschland.

"Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste", sagt de Maizière mehrmals. Für ihn als federführenden Minister des Konzepts bedeutet es, dass er, wann immer etwas Katastrophales eintritt, jetzt darauf verweisen kann. "Es geht bei dem Konzept um Vorsorge", betont der Minister. Es wurde an alles gedacht.

Innenminister Thomas de Maizière zu Besuch im Wasserwerk (Foto: DW/H. Kiesel)
Bundesinnenminister Thomas de Maizière in der Schaltzentrale des Tegeler WasserwerksBild: DW/H. Kiesel

De Maizière steht dabei in einem Konferenzraum des Tegeler Werks der Berliner Wasserbetriebe. Es geht um Sicherheit, er blickt ernst. Hier in diesem Betrieb, einem von fünfen, in denen das Wasser für die Berliner Bevölkerung aufbereitet und bereitgestellt wird, könnten Terroristen mit konventionellen Waffen oder aus dem Cyberraum versuchen, die Hauptstadt trockenzulegen oder aber einen Giftanschlag verüben. "Wir wollten das Thema Sicherheit ein bisschen anschaulicher machen", erklärt der Minister den Ort für die Präsentation.

Spöttischer Fokus auf das Hamstern von Vorräten

Aber seine Oberlippe bleibt beim Reden etwas steifer als sonst. Das wird daran liegen, dass seit dem vergangenen Sonntag schon heftig über das neue Zivilverteidigungskonzept diskutiert worden ist. Sehr zu seinem Missfallen: "Ich möchte noch etwas zu der etwas aufgeregten Debatte der letzten Tage sagen", meldet er seinen Klarstellungsbedarf an.

Der Innenminister verwehrt sich gegen den Vorwurf, Panikmache zu betreiben, weil er das Konzept so kurz nach einer Reihe von Anschlägen im Land vorgestellt hat. Aber das Konzept, das 2012 in Auftrag gegeben wurde, sei nun eben jetzt fertig geworden und deswegen vom Bundeskabinett auch verabschiedet worden, rechtfertigt er sich. "Das ist mitnichten eine Reaktion auf eine aktuelle Bedrohungslage", unterstreicht er und fixiert dabei einen unbestimmten Fleck an der Wand hinter den vielen Kameraleuten.

Hände in Handschuhen liegen auf einer Computertastatur (Foto: Fotolia)
Cyberattacken, hybride Kriegsführung, Terror und Naturkatastrophen gehören zu den Szenarien der KrisenkonzeptionBild: Fotolia

Und dann haben sich auch noch alle lustig gemacht darüber, dass in der Konzeption den Bürgern empfohlen wird, für zehn Tage private Vorräte anzulegen. Das zog entsetzlich viele Bilder von putzigen Hamstern in deutschen Internet-Posts nach sich.

Dabei umfasst die entsprechende Passage in der KZV gerade mal einen Satz auf Seite 47: "Die Bevölkerung wird angehalten, einen individuellen Vorrat an Lebensmitteln für einen Zeitraum von zehn Tagen vorzuhalten, um durch entsprechende Eigenvorsorge die staatlichen Maßnahmen zu unterstützen." Das sei auch nicht neu, stellt der Minister klar. In seinem Keller stünden auch immer ein paar Kisten Wasser auf Vorrat.

Der überwiegende Rest des Papiers bezieht sich auf Notfallpläne, die es den Ministerien und Behörden erlauben, im Krisenfall handlungsfähig zu bleiben, was bei Unglücken mit chemischen, biologischen oder radioaktiven Stoffen zu passieren hat und wie die Menschen weiterhin medizinisch versorgt werden können. Außerdem soll ein System entwickelt werden, durch das die Bevölkerung auch im Katastrophenfall verlässlich informiert und alarmiert werden kann.

Blackout und Cyberangriffe

Ein bisschen Alarmismus ist immer dabei, wenn es um die Krisenvorbereitung geht. Denn ein unvorhergesehenes Unglück kann natürlich jederzeit geschehen. Zusammen mit dem Bundesinnenminister ist der Präsident des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK), Christoph Unger, ins Wasserwerk gekommen. Cyberattacken sind seine größte Sorge, macht er klar: "In der Ukraine ist die Stromversorgung so lahmgelegt worden."

Für de Maizière ist ein Blackout das bedrohlichste Szenario. Wenn es um die Bewältigung der Krisenfälle geht, wird das Konzept vage. Es ist kein Leitfaden für den Umgang mit Notfällen. Es ist vielmehr eine Auflistung von Handlungsfeldern, durch die staatliche und private Akteure aufgefordert werden, sich zu rüsten - in trockenstem Behördendeutsch.

Thomas de Maizière trinkt aus einem Wasserglas (Foto: picture-alliance/dpa/K. Nietfeld)
Ein erfrischender Schluck Trinkwasser nach der Sicherheitstour für den MinisterBild: picture-alliance/dpa/K. Nietfeld

Da wird die Thematik beim Rundgang durch das Wasserwerk schon etwas realer. Der Minister und der BBK-Chef laufen die gekachelten Gänge bis ins Schaltzentrum und bekommen vom technischen Leiter erklärt, dass hier im Krisenfall fast die Hälfte des Wasserbedarfs für die Berliner bereitgestellt werden könnte.

Hier gibt es auch einen Monitor, in dem ein Aquarium mit Moderlieschen überwacht wird. Die empfindlichen Minikarpfen würden schneller als jedes Labor anzeigen, wenn giftige Substanzen ins Trinkwasser gelangten. Der Minister nickt interessiert.

Eine Halle weiter stehen die Notstromaggregate für den gefürchteten Blackout. Überall Rohre, durch die es rauscht. Als Höhepunkt, ganz tief unten in den kühlen Eingeweiden des Wasserwerkes, darf das Regierungsmitglied noch einen Schluck Leitungswasser aus einem Weinglas nehmen. Er lächelt dabei. Das tut gut nach der jüngsten öffentlichen Diskussion über sein Konzept.