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Die Opposition ringt mit sich selbst

Evan Romero/Kersten Knipp23. Mai 2014

Die Gegner von Präsident Nicolas Maduro sind ideologisch tief gespalten. Vehement streiten sie über den politischen Kurs. Das nützt vor allem der Regierung. Nun suchen die Oppositionellen nach Gemeinsamkeiten.

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Ein Maduro-Gegner in Caracas schleudert eine kleinen Behälter mit Tränengas gegen Polizisten, 8.5. 2014 (Foto: Reuters)
Bild: Reuters

Arglos schlafen die Demonstranten in ihren Zelten. Plötzlich stürmt ein Großaufgebot der Polizei das Protestlager und verhaftet die meist jungen Gegner des venezolanischen Präsidenten Nicolás Maduro. Tags darauf marschiert eine aufgebrachte Menge von Sympathisanten zum Lager, um gegen die nächtliche Aktion zu protestieren. Doch ihr Unmut eint die Menge nur kurz. Schon am Abend zerfällt sie wieder in ihre einzelnen, miteinander rivalisierenden Fraktionen.

So geschehen am 8. Mai. Geändert hat sich seitdem nicht viel: Die Anti-Maduro-Opposition ist zerstritten und gelähmt.

Einen Großteil ihrer Probleme bereitet die venezolanische Opposition sich selbst – so etwa die Verleumdungen, mit denen die unterschiedlichen Gruppen einander überziehen. Die jüngste steht im Zusammenhang mit Roberta Jacobson, als Unterstaatssekretärin im US-Außenministerium auch für Venezuela zuständig. Jacobson hatte kürzlich erklärt, Personen aus dem Umfeld des größten Anti-Maduro Bündnisses "Mesa de la Unidad Democrática" ("Runder Tisch der Demokratischen Einheit", MUD) hätten sie gebeten, keine Sanktionen über Beamte der Regierung Maduro zu verhängen – und das, obwohl diese die Menschenrechte der Maduro-Gegner verletzt hatten. Kurz darauf nahm Jacobson ihre Äußerung zwar wieder zurück und erklärte, sie habe etwas durcheinandergebracht. Doch es war zu spät, der Schaden ist angerichtet: Rivalisierende Gruppen, die die Gespräche mit Regierungsvertretern ablehnen, beschuldigen die MUD-Mitglieder der "Kollaboration".

Gemeinsame Strategie nicht ausgeschlossen

Der venezolanische Journalist Luis Carlos Díaz, 2013 einer der Gewinner des von der DW ausgeschriebenen Wettbewerbs "Best of Blogs", fasst die Ereignisse des 8. Mai in einem Tweet so zusammen: "Die Konkurrenten der MUD haben sich darauf geeinigt, diesen Tag der Unterdrückung und Repression dazu zu nutzen, die MUD zu diskreditieren."

Das Lager der Demonstranten nach der Räumung durch die Polizei (Foto: Reuters)
Ganze Arbeit: das Lager der Demonstranten nach der Räumung durch die PolizeiBild: Reuters

Jetzt stellt sich die Frage, ob die oppositionellen Politiker und Parteien es schaffen, sich nach dem letzten Zerwürfnis wieder anzunähern und einander zu unterstützen. "Es ist durchaus denkbar, dass die verschiedenen Gruppen sich auch jetzt noch auf eine gemeinsame Strategie verständigen können. Diese bestünde darin, weiterhin mit der Regierung zu verhandeln und gleichzeitig mit friedlichen Straßenprotesten fortzufahren", sagt der am Hamburger GIGA-Institut forschende Politologe Víctor M. Mijares.

Komplizierte Strukturen

Allerdings dürfte es für die Beteiligten nicht einfach werden, ihre weit auseinander gehenden Vorstellungen und Strategien zu einen. Die Struktur der venezolanischen Opposition sei komplizierter, als es auf den ersten Blick den Anschein habe, so Mijares.

Das sieht auch der emeritierte Politikwissenschaftler Fernando Mires so: "Die Opposition gegen die Chavisten teilt sich in mehrere Blöcke auf. Einige Hitzköpfe fordern eine militärische Lösung der Krise. Sie begreifen nicht, dass die Umstände für eine Lösung außerhalb des verfassungsrechtlichen Rahmens nicht gegeben sind."

Nicolas Maduro spricht zu seinen Anhängern (Foto: Reuters)
Venezuelas starker Mann: Nicolas MaduroBild: Reuters

Mit der MUD existiere hingegen eine berechenbare Opposition, die die in der Verfassung von 1999 formulierten Spielregeln respektiere und zum Dialog mit der Regierung bereit sei, erklärt Mijares. Außerdem gebe es mehrere Gruppen, die der Regierung gegenüber einen stärker kämpferischen Kurs verfolgten. Sie riefen zu Straßenkämpfen auf. Zugleich besetzten sie aber Regierungsposten oder strebten diese an. Noch andere Gruppen wiederum setzten auf radikale Lösungen. Ihre Mitglieder sprächen sich für den Sturz einer als illegitim erachteten Regierung aus. "Die MUD ist aber die am besten organisierte Gruppe. Außerdem hat sie das größte Wählerpotential", so Mijares.

Werben um ärmere Schichten

Nach wie vor sieht sich die Opposition auch großem Druck durch die Regierung ausgesetzt. So sei etwa das Bündnis um Leopold López, einem der bekanntesten Oppositionspolitiker, nachhaltig geschwächt. Er hatte zu den großen Demonstrationen vom 12. Februar aufgerufen; daraufhin wurde López "der Anstiftung zum Verbrechen" beschuldigt und verhaftet. Auch die ebenfalls zu dem Bündnis gehörende Abgeordnete María Corina Machado wurde in einem umstrittenen Prozess ihres Amtes enthoben. Ob dieses Bündnis Venezuela in eine politische Zukunft führen kann, ist unter Beobachtern umstritten. So lastet Víctor Mijares den Führungsgestalten des Bündnisses teils extremistische Vorstellungen an.

Eine Puppe mit den Gesichtszügen Maduros, die kurz später verbrannt werden wird (Foto: dpa)
Spiel mit dem Feuer: eine Puppe mit den Gesichtszügen Maduros, bestimmt für den ScheiterhaufenBild: picture-alliance/dpa

Dass radikale Schritte die derzeitige Situation beenden könnten, bezweifelt auch Fernando Mires. Er setzt auf eine gemäßigte Figur wie Henrique Capriles Radonski, den Gouverneur des Staates Miranda. Radonski, der bei den letzten beiden Präsidentschaftswahlen gegen Chávez und Maduro antrat, besitze eine hohe politische Intelligenz und konzentriere sich auf die ökonomisch benachteiligten Schichten, die traditionell zum Lager der Chavisten zählten. Das sei eine angemessene Strategie, findet Mires: "Denn wenn die Opposition es nicht schafft, das Vertrauen dieser Menschen zu gewinnen, ist sie verloren".