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Im Land der Veteranen

Lars Scholtyssyk, Washington D.C.18. Dezember 2008

Der Dienst als Soldat im Ausland für das Vaterland ist in den USA weiterhin mit viel Prestige verbunden. Viel zu wenig bekannt ist, wie hoch die Folgekosten der Kriegseinsätze sind.

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Bild: DW

4. Juli 1776: Seit dem Tag ihrer Grundsteinlegung befinden sich die Vereinigten Staaten von Amerika fast pausenlos im Krieg. Seine militärische Stärke machte das Land im Laufe der Jahrzehnte zur Superpower und Weltpolizei. Korea, Kuba, Russland, China, Westeuropa, Kambodscha, Somalia, Afghanistan, Irak - es gibt wenige Ecken dieser Erde, die noch keine US-amerikanischen Truppen gesehen haben. Bis zum heutigen Tage kehren US-Soldaten traditionell als gefeierte Helden zurück in die Heimat - Millionen landen danach jedoch perspektivlos auf der Straße.

Es ist eine der wenigen Errungenschaften des 43. US-Präsidenten George W. Bush: 97 Milliarden US Dollar stehen im Jahre 2009 für die 23,5 Millionen Kriegsveteranen bereit, welche heute in den USA leben. Damit hat der selbsternannte "Kriegspräsident" die finanzielle Unterstützung ehemaliger Soldaten in seiner Amtszeit mehr als verdoppelt - eben auch für jene Truppen, die er selbst nach Afghanistan und in den Irak geschickt hat.

Viele Obdachlose und Selbstmörder

Dass die Rückkehrer den Support vom Staat bitter nötig haben, zeigt eine traurige Statistik des Veteranenministeriums: 25 Prozent aller Obdachlosen in den USA sind frühere Soldaten. Viele von ihnen besitzen - schon fast traditionell - keine Ausbildung, keine Perspektive und finden nie mehr Anschluss an die Gesellschaft.

Jedes Jahr nehmen sich 6500 Kriegsveteranen in den USA das Leben. "It takes the courage and strength of a warrior to ask for help" lautet der Slogan, mit der eine staatliche Selbstmord-Hotline seit Mitte 2008 Veteranen in der Hauptstadt Washington ihre Hilfe anbietet. Im krassen Gegensatz zur glamourösen Heldenverehrung im Hollywood-Stil wirbt man hier mit riesigen Plakaten, auf denen ein gebrochener Soldat vor der US-Flagge kniet.

Riesiges Veteranenministerium

Pro Tag bekommt die Hotline 250 Anrufe. 1500 Selbstmorde sollen seit der Einführung laut Regierung verhindert worden sein. Forscher der Portland State University fanden heraus, dass das Suizidrisiko bei Veteranen doppelt so hoch ist wie bei Zivilisten. Auch deshalb plant das Veteranenministerium, mit 270.000 Angestellten nach dem Verteidigungsministerium das zweitgrößte US-Bundesministerium, eine Ausweitung der Kampagne.

Neben finanzieller Unterstützung bemüht sich der US-Staat vor allem um das Prestige seiner verdienten Soldaten. Gesellschaftlich gesehen steht der Dienst am Vaterland für viele US-Bürger nach wie vor hoch im Kurs. Jeder zehnte von ihnen hat immerhin selbst gedient oder ist noch im Militär aktiv. In der Politik spielt der Militärdienst eine noch größere Rolle: Mehr als 25 Prozent aller Senatoren waren beim Militär, rund ein Drittel aller Mitglieder des US-Kongress sind Veteranen.

Vorbilder für das Volk

Im Präsidentschaftswahlkampf 2008 stellte der Republikaner John McCain, der für sein Land fünf Jahre in einem vietnamesischen Gefängnis saß, diesen Verdienst gar ins Zentrum seiner Kampagne. Überhaupt waren prominente Veteranen schon immer wertvolle Vorbilder für das Volk: Elvis, Bill Cosby, John F. Kennedy oder Edgar Allen Poe - viele Sänger, Schauspieler, Autoren, Politiker waren Kämpfer für das eigene Land.

Es ist und bleibt ein schwacher Trost für diejenigen, welche noch immer täglich von den Kriegsschauplätzen dieser Welt zurückkehren: Zuerst Ruhm und Ehre, danach meist ein Leben ohne Perspektive - und die Milliarden von Dollar, mit denen der US-Staat jedes Jahr den Preis dafür zahlt.